In welchem Verhältnis steht die Erziehungswissenschaft zur Normativität pädagogischer Theorie und Praxis, aber auch zu den Erwartungen von Bildungspolitik und Bildungsplanung? Inwiefern versteht sie sich als engagierte oder distanzierte Forschung, die nicht nur Theoriebildung und empirische Forschung über Pädagogik vorantreiben, sondern auch in Bildungspolitik und pädagogische Praxis eingreifen will? Mit dem Thema Normativität behandelt das Buch einen zentralen Problemhorizont von Erziehung und Bildung, der in den vergangenen Jahren wieder stärker in den Fokus erziehungswissenschaftlicher Debatten gerückt ist. Die Beiträge diskutieren die Begründungsprobleme pädagogischer Sollensaussagen, sie fragen nach den Kriterien guten pädagogischen Handelns und untersuchen die Normativität der pädagogischen Praxis. Sie richten ihren Blick aber auch auf die normativen Implikationen der empirischen Forschung sowie des Selbstverständnisses der Erziehungswissenschaft als wissenschaftliche Disziplin.
Wolfgang Meseth Knihy





Die Frage, wie erziehungswissenschaftliche Forschung ihren Gegenstand theoretisch bestimmt und empirisch erschließt und welche epistemologischen Grundlagen sie hierbei nutzt oder eigens ausgebildet hat, ist seitens der Wissenschaftsforschung seit geraumer Zeit nicht mehr systematisch verfolgt worden. Unter dem Titel „Empirie des Pädagogischen und Empirie der Erziehungswissenschaft“ greift der Band diese erkenntnistheoretischen und methodologisch-methodischen Fragen auf. Er versammelt Beiträge, die sich sowohl nach der Möglichkeit der empirischen Beobachtung des Pädagogischen erkundigen als auch in disziplingeschichtlicher, systematischer und international-vergleichender Perspektive die epistemologische Struktur der Erziehungswissenschaft empirisch in den Blick nehmen.
Wenn in der Öffentlichkeit über Unterricht gesprochen wird, werden in der Regel Erwartungen geäußert. Was sich im Klassenzimmer tatsächlich ereignet, scheint nur selten den Wünschen zu entsprechen, die mit der pädagogischen Form „Unterricht“ verknüpft werden. Nicht nur in der Öffentlichkeit fehlen realistische Vorstellungen über das Unterrichts geschehen und seine Leistungsfähigkeit. Auch die Schul- und Unterrichtsforschung in ihren unterschiedlichen Spielarten ist bislang durch ein auffälliges Theoriedefizit gekennzeichnet. Es mangelt an tragfähigen Grundbegriffen, Konzepten und Modellen. Diese Lücke versucht „Unterrichtstheorien in Forschung und Lehre“ zu schließen. Präsentiert und diskutiert werden in übersichtlicher Form gegenwärtig zentrale Theorieangebote aus pädagogisch-didaktischer, soziologischer und psychologischer Sicht. Sie stellen der Schulpädagogik und der Lehrerbildung Beschreibungen bereit, die nicht primär Alltagsüberzeugungen, Motivierungsnotwendigkeiten und Erfolgserwartungen bedienen, sondern die sozialen Voraussetzungen des Unterrichts aufzuklären suchen, vor denen dann pädagogische Ansprüche diskutiert und auf ihre Realisierbarkeit untersucht werden können.
Aus der Geschichte lernen
Über die Rolle der Erziehung in der bundesdeutschen Erinnerungskultur
Schule und Nationalsozialismus
Anspruch und Grenzen des Geschichtsunterrichts
Während die Frage, welche Lehren aus der Geschichte des Nationalsozialismus zu ziehen seien, wissenschaftlich umstritten ist, scheint die Annahme, dass die nachkommende Generation aus dem Geschichtsunterricht lernen könne, selbstverständlich. Dagegen sprechen freilich die Befunde einer Pilotstudie, die den Unterricht zum Thema Nationalsozialismus in zwei Klassen der gymnasialen Oberstufe zum ersten Mal empirisch untersucht. Offenbar vermag der Schulunterricht nicht das zu leisten, was Politik und Pädagogik erwarten. Geschichtsdidaktiker, Historiker, Soziologen und Erziehungswissenschaftler diskutieren in diesem Band die aus diesem Befund zu ziehenden Schlüsse. Sie nehmen die soziohistorischen Bedingungen des Geschichtsunterrichts in den Blick, vom allgemeinen Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Gesellschaft bis zu familialen Erinnerungskulturen, und erläutern, warum und in welcher Weise Anspruch und Grenzen historisch-moralischen Lernens in der Schule neu bestimmt werden müssen. Der Band enthält Beiträge unter anderem von Bodo von Borries, Micha Brumlik, Norbert Frei, Verena Haug, Jochen Kade, Gottfried Kößler und Harald Welzer.