Die Homeofficezeit 2020 ermöglichte es Raimund Bahr, Gedanken zu verarbeiten und literarisch zu ordnen. Sein neues Journal von 2021/22 thematisiert die Herausforderungen des modernen Autors in einer sich verändernden Literaturwelt. In täglichen Aufzeichnungen reflektiert er die Beständigkeit und Gleichförmigkeit der Tage in dieser Zeit.
Raimund Bahr Knihy






Die Homeofficezeit 2020 ermöglichte es, Gedanken zu verarbeiten und literarisch zu ordnen. Das letzte Jahrzehnt war geprägt von gesellschaftlichen Umbrüchen und der Digitalisierung des Literaturmarktes. Der Autor reflektiert über Herausforderungen im erzählenden Schreiben und das Gefühl der Isolation, während er in täglichen Aufzeichnungen die Gleichförmigkeit der Tage dokumentiert.
Gansinger kehrt heim hat keine Handlung im üblichen Sinne. Das Buch schildert den Aufbruch eines Menschen am 1.1.2000 aus seiner Heimatstadt. Ort und Namen der Personen bleiben im Ungewissen. Der Leser kann der Reise und den Erlebnissen des Protagonisten nur indirekt folgen, mittels der von ihm hinterlassenen Schriften. Auf seinen Fahrten durch die imaginäre und reale Welt vermischen sich Gegenwart und Vergangenheit. Am Ende findet die Hauptperson einen Ort, an dem er sich niederlässst, seine Suche nach einer Heimat hat ein Ende gefunden. Davor muss er aber mit seiner Vergangenheit und vor allem mit seinen Kindheitstraumata abschließen. Am Ende des Romans, der Protagonist ist verschollen, sucht der Freund des Protagonisten in seiner neuen Heimat auf und findet seine Aufzeichnungen, die er der Öffentlichkeit zugänglich macht. Dieser Vorgang wird in einer Art Vorwort vorweggenommen, um dem Leser einen Kontext zu den einzelnen Textpassagen zu ermöglich und so etwas wie einen Rahmen für die Handlung bereit zu stellen. Ich lausche dem Zirpen der Zikaden. Ein beständiges Zirpen, ein langandauerndes, unausgesetztes Zirpen, das mich in seiner Gleichförmigkeit ermüdet, wie ein warmes Wannenbad, das mir manchmal an Wintertagen gönnte, in das ich stieg, hineinglitt, um meinen durchgefrorenen Knochen Erholung zu gewähren. Ein solches Zirpen ist es, dem ich an diesem Sommerabend lausche und mit geschlossenen Augen alles ausspare, was noch an Geräuschen in der Welt ist. Ein unnachgiebiges Zirpen, das mich zu sich ruft.
Erscheinungen
Lyrik der Gegenwart | Band 78
Im neuesten Lyrikband von Raimund Bahr heißt es: und irgendwann | nähert sich die nacht | wie der fuchs der beute | auf dämmrigen fluren | wo die glühende glut | an den rändern | verlischt | lichtlos | lautlos | still. Im Gegensatz zu den Bänden davor, geht es nicht mehr um einen gesellschaftlichen Abgesang, sondern um das Verhältnis von Natur und Kultur zueinander. Persönliche Lesererfahrungen fließen in die Texte ein. Die Überschriften der Zyklen erscheinen bereits wie ein Programm. Daraus lassen sich die literarischen Vorbilder ebenso herauslesen, wie die Bezüge zur Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts: nach hesse ist es schwer im nebel zu wandern | nichts ist sagbar ohne ingeborg | beckett hat einmal gesagt es geht vielleicht zu ende | brecht hat einmal gesagt die stadt soll untergehen | odradek spricht die sorge aus dem herzen in die welt | wer anders spricht verwandelt sich | der turm in dem sartre hockte ist heute unbewohnbar | wer das bewusstsein verändert verändert das sein | am rande der welt gibt es immer leben. Um nichts anderes geht es in dem neuen Lyrikband von Raimund Bahr, um Emanzipation aus den Vorbildern und auch ein Stück weit um Emanzipation aus den eigenen literarischen Linien, die sich bereits jetzt wie ein Werk abzeichnen. Es geht darum den Stillstand zu überwinden, ohne die Stille, die sich daraus ergeben kann, zu leugnen.
Dezember 1984: Umweltschützer besetzen die Hainburger Au. Polizeitruppen aus Wien sollen auf das Baugelände verlegt werden. Sepp Berger bittet seinen Freund Katzmeyer, Informationen vor Ort über den Stand der Dinge zu sammeln. Er erlebt die Kälte des Winters und die Solidarität unter den Aubesetzern. Kurz darauf fällt der erste Baum. Als schließlich eine Aktivistin nur knapp einem Mordanschlag entkommt, überstürzen sich die Ereignisse. Raimund Bahr präsentiert mit seinem neuen Kriminalroman ein authentisches Bild von der Besetzung der Hainburger Au.
Übergänge
Lyrik der Gegenwart | Band 53
Im neuesten Lyrikband von Raimund Bahr heißt es: übergänge sind immer brücken / vom chaos zur ordnung / vom mann zur frau / von jung zu alt / vom leben zum tod / brücken führen immer über abgründe / und enden immer an land Konsequenterweise beschäftigt sich dieser Band genau mit den angesprochenen Themen. Dieser Band wurde nicht wie die Vorgänger konzipiert, sondern hat sich im Laufe der letzten zwei Jahre entwickelt, dennoch sind klare thematische Muster entstanden, denen auch die einzelnen Textsegmente folgen. Die Anzahl der Gedichte variiert von Segment zu Segment. Der Schwerpunkt liegt auf dem übergang, während der abgesang noch einmal das Scheitern aufs Korn nimmt, das der Generation der geburtenstarken Jahrgänge schon in die Wiege gelegt wurde. Doch als ein Angehöriger der Generation der Vielen, hat der Autor gelernt einen Umgang damit zu finden und hat sich nun daran gemacht, seine Lebens- und Leseerfahrung in die Texte mit einzubringen. Intertextualität ist ein wichtiges Kennzeichen dieses Bandes.
Vor 10 Jahren starb in St. Wolfgang ein junger Mann bei einem Alpinunfall. Doch sein Vater ist nach wie vor überzeugt, dass es Mord war. Der Wiener Ermittler Friedrich Katzmeyer ist gerade dabei, den Nachlass seiner Tante aufzulassen und wird auf den Fall aufmerksam. Er macht sich mit den Fakten vertraut. Doch zehn Jahre nach dem Vorfall sind die Beweise rar. Katzmeyer hat nur eine Möglichkeit, die Wahrheit ans Licht zu bringen: Er muss dem Täter eine Falle stellen.
Annäherung
Lyrik der Gegenwart. Band 42.
Der Lyrikband Annäherung ist in fünf Zyklen gegliedert: WIE|N|NÄHERUNG: Im ersten Zyklus verschafft sich der Autor einen Überblick über seine ursprüngliche Heimat. Eine Annäherung an seine Heimatstadt Wien. Was geblieben ist, sind Erinnerungen. Diese sind in zehn Gedichte gefasst, die von einem Prolog und Epilog begleitet werden. Aufgespart gleich Fotographien für spätere Tage. EXILNA|H|MEN: Der zweite Zyklus befasst sich in dreizehn Gedichten mit meiner neuen Heimat am Wolfgangsee. Mit der Unmöglichkeit in einem Dorf anzukommen, als Zugereister. Dort zu verbleiben. Das Leben als wäre einer wie ich ins Exil geraten. MORGENGESÄNGE: In den letzten Jahren erhielt der Morgen zusehnds an Bedeutung. Das Frühaufstehen, die frühzeitig einsetzende senile Bettflucht, lässt einen den Tag anders erblicken. Leer. Menschenleer und doch voller Leben. LEBENSZEICHEN: In 26 Sonetten werden unterschiedliche Begebenheiten der letzten zwei Jahre verarbeitet, die Unmöglichkeit der Begegnung mit Menschen, das Ruhenwollen und nicht können. Das Ankommen und das Abreisen. Und nicht zuletzt, ein letztes Mal, der Tod. NOT|TATEN: Hier sind 20 Texte versammelt, für die zwischen all der Arbeit als Autor noch Gelegenheit bestand. Kleine Beobachtungen. Zusammengefasst zu einem Zyklus, der nicht mehr will, als zeigen, was während der strukturellen Arbeit an einem Gedichtband noch an Freiräumen zum Dichten bleibt.
Die Zahl zwölf ist in vielen Kulturen eine heilige Zahl und ist auch in der Zahlenarithmetik von großer Bedeutung. Sie spielt in der Sprache, in der Religion, in der Mathematik, in der Esoterik und nicht zuletzt auch in der Musik eine bedeutende Rolle. Sie teilt nicht nur das Sonnenjahr ein, sondern gibt dem Tag und der Stunde regelmäßig wiederkehrende Zyklen. Somit beherrscht die Zahl zwölf unser Leben von der Wiege bis zur Bahre. Dieser Tatsache entsprechend folgt der Gedichtband in zwölf mal zwölf Abschnitte unterteilt. Der Band versammelt somit 144 Gedichte, die sich mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Themen beschäftigen: Heimat, Zeit, Kunst, Krieg, Identität, Literatur, Natur, Liebe, Tod, … . Der Gedichtband folgt aber auch dem Jahreszyklus.
Von der Weltfremdheit des Menschen
- 139 stránok
- 5 hodin čítania
In diesem Essayband steht Franz Kafka im Mittelpunkt, insbesondere seine formalen Experimente sowie das Verhältnis von Raum und Zeit in seinem Werk. Raimund Bahr nähert sich Kafkas Schaffen durch eine umfassende Analyse, die auf Günther Anders’ „Kafka – pro und contra“ aus den vierziger Jahren aufbaut. Auch Zeitgenossen Kafkas wie Alfred Döblin und Max Brod kommen zu Wort. Ziel des Essays ist es, Kafka als einen für unsere Zeit relevanten und lesbaren Autor neu zu entdecken und ihn jenseits der „Kafkalogie“ zu betrachten. Bahr beleuchtet die Grenzen der Kafka-Analysen und konzentriert sich auf drei zentrale Texte: „Brief an den Vater“, „Der Bau“ und „Das Schloss“. Er beschreibt die Wirkungsweise Kafkas und betont, dass das Kaleidoskop der möglichen Interpretationen nicht nur auf den brillanten literarischen Stil zurückzuführen ist, sondern auf Kafkas Fähigkeit, die Funktionsweise der Welt um uns herum offenzulegen. Kafkas Fragen setzen sich im aufmerksamen Leser fort, der sich mit den literarischen Experimenten und Notsituationen seiner Protagonisten auseinandersetzen muss. Kafka fordert zur Stellungnahme nicht durch politische Pamphlete auf, sondern durch die Nöte, die er seinen Figuren auferlegt. Diese Leistung Kafkas wird von Bahr in seinem Werk eindrucksvoll enthüllt.