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Isabelle Nießen

    Die künstliche Säuglingsernährung unter dem Einfluss der Bakteriologie
    Nur das Beste fürs erste Lebensjahr
    • Die Säuglingsernährung in der Bundesrepublik Deutschland veränderte sich zwischen 1960 und 1990 erheblich. So wurden ab den 1960er Jahren infolge der neuen Konsumkultur, der Steigerung des Lebensstandards und der Emanzipation der Frau immer mehr Säuglinge mit der Flasche ernährt. In der Mitte der siebziger Jahre kam es zu einer „Stillrenaissance“, wozu neue Forschungsergebnisse über die Vorteile des Stillens ebenso beitrugen wie die sich ausbreitende ökologische Bewegung und das Konzept der „Neuen Mütterlichkeit“. Dieser Trend verstärkte sich in den 1980er Jahren noch, wobei parallel eine gesteigerte Propagierung des Stillens bei westdeutschen Pädiatern, aber auch bei internationalen Organisationen zu beobachten war. Isabelle Nießen befasst sich mit der Säuglingsernährung zwischen 1960 und 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Als Analyseobjekt wählt sie zwei pädiatrische Zeitschriften aus, da die Beschäftigung mit der Säuglingsernährung zum einen zu den traditionellen Themen der deutschen Kinderheilkunde gehört und zum anderen bei der in den 80er Jahren wiederbelebten Stillpropaganda Pädiater eine entscheidende Rolle spielten. Bei der Auswertung der Zeitschriftenartikel steht die pädiatrische Sichtweise aber nicht für sich allein, sondern wird in den gesellschaftlichen Kontext, seine neu entwickelten sozialen Bewegungen und gesellschaftlichen Umbrüche sowie die Praxis der Säuglingsernährung eingeordnet.

      Nur das Beste fürs erste Lebensjahr
    • Ende des 19. Jahrhunderts wurde die hohe Säuglingssterblichkeit im Kaiserreich als Skandal wahrgenommen. Während der Tod von Säuglingen zuvor als naturgegeben galt, entstanden nun Vereine zur Senkung der Sterblichkeit. Haupttodesursache im ersten Lebensjahr waren ernährungsbedingte Magen- und Darmerkrankungen, weshalb sich die Bemühungen auf die Ernährung konzentrierten. Besonders das weitverbreitete Nicht-Stillen wurde als entscheidender Faktor identifiziert, da die Sterblichkeit von Flaschenkindern im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts siebenmal höher war als die von Brustkindern. Die aufkommende Kinderheilkunde nutzte die Ernährungsfrage zur Emanzipation von anderen medizinischen Disziplinen, was 1883 zur Gründung der „Gesellschaft für Kinderheilkunde“ führte. Gleichzeitig gewannen Bakteriologen mit ihrem Konzept spezifischer Erreger Einfluss im Bereich der Infektionskrankheiten. Isabelle Nießen untersucht in ihrer Arbeit den Einfluss der bakteriologischen Forschung auf das pädiatrische Konzept der Säuglingsernährung. Hierzu analysiert sie die Übernahme bakteriologischen Wissens durch die Pädiatrie im ersten ernährungsphysiologischen Überblickswerk des Kinderarztes Phillip Biedert sowie in zwei pädiatrischen Fachzeitschriften bezüglich der künstlichen Säuglingsernährung.

      Die künstliche Säuglingsernährung unter dem Einfluss der Bakteriologie