In der Kunstgeschichte der Moderne werden die Präraffaeliten oft als kurzlebiger Bund junger englischer Künstler betrachtet, der nach einem vielversprechenden Beginn scheiterte. Diese Studie widerspricht diesem Bild und zeigt, dass ihr Einfluss weit über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinausreichte. Die Künstler entwickelten eine bedeutende Bewegung, die die englische Kunst über drei Generationen prägte und auch im franko-belgischen Raum als Vorläufer des Symbolismus wirkte. Sie perfektionierten das Zusammenspiel von Malerei und Literatur und thematisierten das Ineinanderwirken von Kunst und Gesellschaft sowie alternative Lebenskonzepte. Ihre romantische Haltung spiegelte die Bedrohung von Poesie und Fantasie durch den modernen Rationalismus wider. Die Präraffaeliten verkörperten einen Drang zur Mystifizierung der Welt, der untrennbar mit der Moderne verbunden ist. Auf die Entzauberung durch den Rationalismus reagierte die Romantik mit der Verzauberung durch Poesie. Diese Dialektik konstituiert letztlich die Moderne. Die Präraffaeliten sind als Erben der Romantik zu verstehen, die deren Position innerhalb der Moderne fortführten und einen Gegenentwurf zum aufklärerischen Status Quo darstellten. Sie repräsentieren das Andere der Moderne.
Ralf Wittmer Knihy
