In den 25 Jahren seit dem Ende der DDR wurden unterschiedliche Bewertungen des Protestantismus in der DDR vorgenommen, von positiver Würdigung bis hin zu Anpassungsvorwürfen. Der Band bietet einen verständlichen Überblick über die Entwicklung und zentrale Themen des Protestantismus sowie dessen strukturelle und theologische Merkmale.
Die Uberblicksdarstellung zur Kirchengeschichte bietet in einem ersten Abschnitt "Einblicke" in Grundfragen unseres Umgangs mit der Kirchengeschichte und der Kirchengeschichtsschreibung: Was fangen wir mit der Geschichte der Kirche an? Wie lassen sich 'Schneisen schlagen' durch die Fulle von Daten und Informationen? Wer macht eigentlich Kirchengeschichte? Unter "Durchblicke" werden anschliessend Schlusselereignisse der Kirchengeschichte erlautert, wobei ebenso die Alte Kirche und das Mittelalter wie die Kirchengeschichte seit der Reformation bis hin zur Kirchengeschichte der Bundesrepublik und der DDR bis 1989 zum Zuge kommen. Fur die neuere Zeit konzentriert sich die Darstellung vor allem auf Grundzuge der protestantischen Kirchengeschichte in Europa, fur das 20. Jahrhundert auf Deutschland. Wissenskasten mit Kerndaten und zentralen Namen sowie Zusammenfassungen bieten rasche Orientierung.
August Hermann Francke (1663-1727), der Begrunder des hallischen Pietismus, war von 1692 bis 1715 Pfarrer in der vor Halle (Saale) gelegenen Stadt Glaucha. In dieser Studie werden bisher nicht berucksichtigte Quellen ausgewertet und z.T. ediert, die das Verhaltnis Franckes zu dieser Gemeinde betreffen. Dabei werden Hintergrunde des durchgangig negativ konnotierten Bildes von Glaucha erhellt und Aspekte der bisher weitgehend einer immanenten Sicht verpflichteten Franckedarstellung korrigiert. Hieraus ergibt sich auch eine Neuinterpretation des Verhaltnisses von Lutherischer Orthodoxie und Pietismus in Halle.
Der Pietismus auf dem Gebiet des heutigen Thüringen ist bislang ein wenig bearbeitetes Thema. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes untersuchen die thüringischen Ursprünge dieser protestantischen Reformbewegung sowie ihre Ausstrahlungen und Wirkungen in Deutschland und Europa zwischen 1650 und 1750. In ihren Beiträgen vermessen die internationalen Expertinnen und Experten das Forschungsfeld, markieren Desiderate, verweisen auf reichhaltige Quellenbestände und umreißen die besondere Bedeutung Thüringens für den Pietismus. Aufgrund des interdisziplinären Ansatzes – von der Kirchengeschichte über die Allgemeine Geschichte bis hin zu den Literaturwissenschaften – bietet der Band einen multiperspektivischen Zugriff zwischen traditioneller Pietismusforschung, Sozial- und Kulturgeschichte sowie Religions- und Kommunikationsgeschichte.
Herzog Ernst der Fromme (1601—1675) führte im Herzogtum Sachsen-Gotha unter dem Motto „Reformation des Lebens“ eine Reihe von Reformen durch, die ihn weithin berühmt machten und ihm einen Ehrenplatz in der Geschichtsschreibung sicherten. Obwohl dieses positive Bild weithin von den Auswirkungen seiner Politik auf die Bevölkerung abgeleitet wird, stellen Untersuchungen über die tatsächlichen Veränderungen im Leben v. a. der Dorfbewohner ein auffälliges Desiderat dar, und dies, obwohl gerade für Sachsen-Gotha umfangreiches Quellenmaterial über das Leben der Einwohner zur Regierungszeit Herzog Ernsts detailreich Auskunft geben kann. Unter Einbeziehung dieser Quellen bildet diese Arbeit ein Korrektiv zum bisherigen Bild des Herzogs und leistet einen Beitrag zur regionalgeschichtlichen Forschung.
Veronika Albrecht-Birkner untersucht in ihrer Studie das Agieren Hallescher Theologen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Spannungsfeld von Hallescher Universität, Franckeschen Anstalten und Berliner Hof. Jenseits der im späten 18. bzw. 19. Jahrhundert entstandenen Masternarrative „der Pietismus“ und „die Aufklärung“, in Abgrenzung von einem pejorativen Orthodoxiebegriff, werden auf der Basis archivalischer und gedruckter Quellen dynamische Aushandlungsprozesse im Kontext der Rezeption unterschiedlicher Traditionen analysiert. Nach der Vorstellung der historischen Akteure und institutionellen Strukturen werden zunächst theologische Beiträge in den „Wöchentlichen Hallischen Anzeigen“ als populärwissenschaftlichem Medium ausgewertet. Anschließend kommen Auseinandersetzungen mit dem Berliner Hof, u. a. um Studienreformen und Berufungen, sowie ausgewählte Konfliktfelder vor Ort, wie z. B. Auseinandersetzungen um den Universitätsgottesdienst, in den Blick. Breiten Raum nimmt die Analyse von Traditionsbildungen im Zuge der Erstellung von Rückblicken und Würdigungen Verstorbener ein. Eine Auswahl an zentralen Quellen ist im Anhang ediert.