Wie die Fiktion eines erfolgreichen viktorianischen Autors zu einem der Hauptmotive esoterisch ausgerichteter Neonazis werden konnte, und was dies über unsere Wissenschafts- und Religionsgeschichte aussagen kann. Die geheimnisvolle Energie »Vril«, erdacht von Edward Bulwer-Lytton (1803-1873), sollte eigentlich eine satirische Metapher sein. Aufgegriffen und ausgeschmückt von Theosophen und Okkultisten, wurde sie jedoch - in Verbindung mit der »Schwarzen Sonne« - eines der zentralen Motive esoterischer Neonazis. In millionenfach verkaufter populärer Literatur steht »Vril« seit den 60ern zudem für die angeblichen okkulten Machenschaften der Nationalsozialisten. Die erste seriöse Aufarbeitung dieser Geschichte ist nicht nur für das Verständnis des zeitgenössischen Rechtsextremismus und Topoi der populären Kultur wichtig, sondern ermöglicht auch aufschlussreiche Einblicke in die europäische Ideengeschichte.
Julian Strube Knihy


Sozialismus, Katholizismus und Okkultismus im Frankreich des 19. Jahrhunderts
Die Genealogie der Schriften von Eliphas Lévi
Die Studie behandelt den religiösen Charakter der wichtigsten sozialistischen Strömungen unter der Julimonarchie und ihr erstaunliches Fortbestehen in neuen religiösen Bewegungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Als roter Faden dient dabei die Entwicklung des radikalen Sozialisten Alphonse-Louis Constant (1810-1875), der unter dem Pseudonym Eliphas Lévi als Begründer des Okkultismus gilt. Die umfangreiche Kontextualisierung seiner Schriften zeigt, dass er seine okkultistischen Ideen nicht etwa in einem „esoterischen“ Kontext entwickelte, sondern vor dem Hintergrund sozialistischer und so genannter „neo-katholischer“ Diskurse. Die dabei gewonnenen Einblicke erlauben die Hinterfragung festgeschriebener Rollen auf der Bühne der europäischen Religionsgeschichte. So erweist sich die weit verbreitete Annahme eines Antagonismus zwischen fortschrittlichen sozialistischen und reaktionären religiösen Kräften, der seinen Höhepunkt in der laïcité gefunden habe, als irreführend. Ebenso wird in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit einer Neubewertung von Esoterik verdeutlicht. Dies ermöglicht nicht nur neue Sichtweisen auf die Politikgeschichte, sondern auch auf kontrovers diskutierte Prozesse der Modernisierung und Säkularisierung.