Hansjörg Zauners Gedichte reflektieren einen präzisen Blick auf die Sprache und ihre Vielschichtigkeit im Alltag zwischen Party und Pathos. Anlässlich seines 50. Geburtstags erscheint eine Auswahl größtenteils unveröffentlichter Gedichte, die mit kühnen Wortneuschöpfungen und einer Fülle an Bildern überraschen.
Hansjörg Zauner ist ein Dichter von staunenswerter Konsequenz, der sich auf einige wenige sprachmanipulative Verfahren konzentriert, die er in stets neuen Facetten und auf exzessive Weise anwendet. Geradezu ein Markenzeichen seiner Kunst ist das Auf-die-Spitze-Treiben komplexer Wortzusammensetzungen, die nach dem Maßstab herkömmlicher Semantik aberwitzig erscheinen. Alles scheint mit allem verbunden und kombinierbar, ohne Unterschied paaren sich Materialien, Gerätschaften, Pflanzen, Tier und Mensch. Im vorliegenden Gedichtband irrlichtern solcherart Monstra durch Kompanien ebenförmiger Langzeilen in Strophenformation dahin. Gegenläufig zur abstrakten Gliederung treibt der Autor ein anarchisches Wortbildungsspektakel zur Erschaffung eines schroffen, eigengesetzlichen Sprachuniversums. Hansjörg Zauners schier unstillbarer Drang nach immer neuen Kompositakreationen bereitet jeglicher Übung linearen Lesens den Garaus. Das Nachspüren der kreativen Energien seiner beispiellosen Materialausbreitung verspricht ein Lektüreerlebnis von selten erreichter Intensität.
„Der poetische Satz ist ein lustvolles Gebilde und offen nach möglichst vielen Seiten“, formulierte Hansjörg Zauner einmal sein dichterisches Credo. In den hier versammelten 20 Prosatexten kostet der Autor die Möglichkeiten des Deutschen, eine Anzahl von Lexemen zu einem Wort zusammenzufügen, ganz und gar aus, wobei er kühne Wortskulpturen formt, deren Status zwischen jenem von belebtem Wesen oder Ding in Schwebe gehalten wird. Wie bizarre technische Geräte - „blickscherenstreichelzusteller“, „durcharmungslichttechniker“, „lichtwagenpatzer“ - heißen die Akteure einer jener Konstellationen, die, sei es als Besuch von Café oder Disko, als Straßenszene oder Filmset, vage durch das „wortgerümpel“ durchschimmern. Anstelle von Handlungen oder Plots tritt in der Zaunerschen Prosa die schrille Inszenierung wechselnder Intensitäten. Hier tritt ein nimmermüder Bastler und Former von Material auf den Plan, der in der konsequenten Beschränkung auf Greifbares und Körperliches eigenwillige Oberflächenwelten konstruiert. Die darauf purzelnden, stampfenden, hopsenden, wedelnden und schwabbelnden Wortungetüme gemahnen in gleicher Weise an tollpatschige Erfindungen kindlicher Phantasie wie an Ausgeburten entfesselter technischer Produktion. Hansjörg Zauner kreiert eine unbändige und markerschütternde Prosasprache zur Exponierung und Beschwichtigung allgegenwärtiger Bedrohung.
Die hier vorliegenden 91 Gedichte sind Ergebnis mehrmaliger Komprimierung und Überschreibung von rund 1.400 Gedichten, die Hansjörg Zauner im kreativen Reflex auf eine feinsinnige Interpretation seines Gedichts „die tafel schreibt“ durch Franz Josef Czernin verfasste. Wie jenes Gedicht sind diese allesamt streng in 16 Zeilen gehalten und auf mannigfaltige Art – lexikalisch oder rhythmisch-syntaktisch – untereinander verschränkt, freilich ohne jede Tendenz zur metaphorischen Sinnstiftung. Vielmehr sind Zauners Gedichte schillernd lapidare Wortkompositionen, die aus dem System herkömmlicher Begrifflichkeit abgelöst, aus der alltäglichen Sprachwelt gefallen zu sein scheinen. Wörter, die andernorts nicht in Berührung kommen, ballen sich hier zu absonderlichen Verbindungen zusammen, die erwartbaren Verhältnisse zwischen Mittel und Zweck, Ursache und Wirkung verkehren sich. Solcherart choreographiert Zauners Lyrik jene weltschöpferischen Bemühungen des Dichtens selbst, die sich zwischen Freiheitsdrang und dem Bewusstsein um deren Ausweglosigkeit (angesichts der endlosen Folge aufeinander übertragbarer Beziehungen) vollzieht.