„Die letzte Fahrt der Beagle“ versammelt Gedichte und Gedichtzyklen aus unterschiedlichen Produktionsphasen. Dem entsprechend finden sich hier vielfältige formale und thematische Zugänge, bei denen aber immer die sprachliche Reflexion im Vordergrund steht. Der titelgebende Zyklus „Die letzte Fahrt der Beagle“ begibt sich auf eine „posthumanistische Reise“ anhand von Tiertexten. Anlass waren hier meist Nachrichten über Tiere, die zur weitergehenden Auseinandersetzung führten. Der Blick auf das Tier wirft die Frage zurück nach Status und Grenzen des Humanen. Die „Texte zur Fotografie“ versuchen Prozesse und Abläufe der analogen Fotografie in Analogie zur Sprache zu setzen. Der fotografische Apparat wird mit dem sprachlichen Apparat überblendet. So entstehen Einblicke in den Prozess der Wahrnehmung und der textuellen Produktion. Eine zeitlich nachträgliche Wende erhalten diese Texte insofern, als die analoge Fotografie durch die digitale ersetzt wurde: d. h. die Materialität und Handlungen, auf die sich die Texte beziehen, von einem neuen Paradigma abgelöst wurden, das sie zu verschwundenen Fertigkeiten werden lässt. Diese zeitliche Markierung ist den Texten gewissermaßen inhärent. „Body-Suit-City“ ist eine Passage durch den „Körper der Stadt“. Indem Orte als Körperteile mit Ereignissen, Gefühlen und Erinnerungen besetzt werden, entsteht eine mehrschichtige Topographie Wiens. „Die Schlafgrenze“ thematisiert Sprachverlust und –verlernen. „steigerungen, europa“ und „griechenland ist mein vorbild“ sind Reaktionen und Repliken auf politische Ereignisse. Mit „Wombats, Gras und Traumata“ wird die Geschichte von Struwwelpeter aus der Perspektive und in der Sprache heutiger Jugendlicher neu erzählt. Die gesprochene Sprache mit ihrem Focus auf Musikalität und Rhythmus erhält hier den Vorrang vor der geschriebenen. Mit Fotografien und Zeichnungen von Eleonore Weber
Eleonore Weber Knihy






In den Sätzen
Eine Rhapsodie
Im Monolog einer Erzählfigur breiten sich fiktive geografische, musikalische Räume, und Räume der Erinnerung aus: Ausstellungsräume, Musikstücke, Gelesenes … Im Älterwerden erscheint die Endlichkeit, in der Einsamkeit die Frage nach den Zusammenhängen und nach dem „unendlich Teilbaren“, im Gemeinsamen die Frage nach dem Mitgefühl, im Bestehenden die Frage nach der Utopie. Dabei greift die Erzählfigur auf Zitate zurück; auf angeeignete „Sätze“ aus der Literatur, Philosophie oder Popmusik, denen sie als Leserin Bedeutung gibt und die sie— teilweise gegen den Strich gelesen — in neue Zusammenhänge bringt. Zentrales Motiv ist die mehrdeutige Suche nach einem Austritt/Ausweg/Exit, die mit dem Zitat aus Ingeborg Bachmanns Erzählung „Das dreißigste Jahr“ — „Dann spring, dann sei anders, damit sich die Welt ändert“— verbunden ist.
Adressiert an Firmen und Institutionen der Sozialverwaltung, sind diese Texte Repliken auf aktuelle Markeninszenierungen und Werbung sowie auf Pressezitate und Behördenkommunikationen. Ein ironisch-kritisches Panorama der gegenwärtigen Konsumlandschaft und der Existenz der Autorin als „unternehmerisches Selbst” unter neoliberalen Verhältnissen wird entworfen. In der poetischen Widerrede stellt sich die Frage nach den „Löchern und Rissen” im kapitalistischen Gewebe. Nicht einmal die Ökonomie ist Festland.
Caravan
Prosa & Zeichnungen
Wildwechsel: Nach einem Gewaltexzess, in dem die gesamte Tierwelt ausgerottet wurde, kehren einzelne Tiere als nicht näher definierte „Erscheinungen“ wieder und lösen Verstörung im humanen Kollektiv aus. Durch die fortgeschrittene Reproduktionstechnologie wurde es möglich, alle Tiere als „Surrogate“ zu klonen und gemäß menschlicher Vorstellungen zu perfektionieren. Der Text ist eine satirische Überzeichnung realer Entwicklungen wie Reproduktionstechnologie und virtueller Simulation, kritisiert aber auch Anthropomorphismus und Nostalgie, die unsere Einstellung gegenüber Tieren prägen. Ketsuke schließt die Augen: Ein experimenteller, assoziativer Text über Sprache am Rand des Schlafes. Der vergebliche Versuch in einen Wachtraum (WILD) zu kommen, führt zu fließenden Übergängen in eine Manga-Bilderwelt. Der Text wird in der Publikation durch Comicbilder ergänzt. Teletubbyland: Ein Einkaufszentrum an der Peripherie wird aus der Perspektive zweier Frauenfiguren beschrieben. Jener der Flaneurin und Konsumentin Kim, die die Fahrt mit dem Shuttlebus zum wiederholten Mal macht und dabei die Veränderungen der desolaten Stadtrandzone registriert und jener der Supermarktangestellten Eima, die trotz allem versucht, durch ihre Erscheinung den schönen Schein aufrecht zu erhalten. Je nach Sichtweise wird die Mall zu einem Ort absurder Religiosität wie auch der subversiven Fröhlichkeit. Ho-Hü-Hühendiblü: Der Text thematisiert einerseits das unzeitgemäße Unterfangen der Protagonistin, in Zeiten der Konzeptkunst Holzschnitte zu den Gedichten Paul Celans herzustellen, ist aber vor allem eine Reflexion über Intertextualität, Lesen und eine assoziative Erinnerung an die späten 1980er Jahre. Caravan: Ein Paar mit Hund begibt sich in einem Wohnmobil auf Trennungsreise. Strukturiert von der viertägigen Kaltfront, den Eisheiligen, entwickelt sich die Fahrt im Binnenraum des Caravans zu einer Steigerung entgegengesetzter sexueller Präferenzen, bis es zu einem unerwarteten Ende kommt. In die tobende Ordnung: Ein Text, der sich entlang musikalischer Themen entwickelt: Ein erzählendes Subjekt, das viele ist und ein musikalischer „Wünsch-dir-was“ Abend in einem Lokal, das an das Hotel California erinnert. Die musikalische Chronologie beginnt bei den Bee Gees und endet bei den Einstürzenden Neubauten, bis alle, auch die „Clockwork Orange“-Lookalikes, die Tanzfläche betreten haben. Untote, Tage: Aus der Distanz (vom Wiener Zentralfriedhof und dem gegenüber liegenden Hotel Concordia aus) beobachtet und kommentiert die Figur der Untoten verwaschen, undeutlich, in einer Art kumulativer Chronologie die sich anbahnende Flüchtlingsbewegung. Aus der ins Jenseits verschobenen Erzählperspektive werden Handeln und Nichthandeln sprachlich durchdekliniert und kritisch betrachtet. Im six feet under: Nur vordergründig fällt der Blick von der „Friedhofstribüne“ auf das unten stattfindende Fußballmatch auf dem Wiener Sportklubplatz. In Wirklichkeit findet eine Entgrenzung der Körper bis in kleinste molekulare Partikel statt. Die daraus resultierende Relativität allen Geschehens schafft einen Standpunkt jenseits aller Parteinahme, vor allem angesichts des Friedhofs als gemeinsamen perspektivischen Fluchtpunkt in der Zeit. Oder dann etwa doch nicht? u. a.
„Wombats, Gras und Traumata" ist eine Neuerzählung von Heinrich Hoffmanns „Struwwelpeter“. Die Geschichten der Kunstfiguren („Struwwelpeter“, „der fliegende Robert“, “Hans Guck in die Luft“, „der bitterböse Friederich“, „Suppenkaspar“ etc.) werden aus der Perspektive und in der Sprache heutiger Jugendlicher neu erzählt. Das Buch lebt von Sprache und Sprachrhythmus, wobei beim Vokabular Jugendjargon und aktuelle Szenesprachen herangezogen werden. Illustrationen von Eleonore Weber