Dragica Rajcic Knihy





Glück
Stimmen
Ein Kind „fehlt“ ins Wasser und gleich sind wir in der Welt von Dragica Rajčić Holzner, einer poetischen Welt, die Sprachnormen und Erzählkonventionen aufbricht. Wörter nehmen ungewohnte Formen an, Sätze geraten in Schieflage und Geschichten werden laufend revidiert. „Das Eigentliche / wird nie durch die Worte oder Geschichten weitergegeben“, sagt Ana Jagoda, das Ich der Stimmen aus dem Heimatdorf Glück. Und doch will Ana „erzählen ohne Linderung / um erzählend sich zu vergewissern / dass es etwas gibt / wozu erzählen gut ist“. Sie versucht ihre Geschichte zu finden und jene der „Tränen ihrer Ahnen“. Es ist eine Geschichte fortgesetzter Misshandlungen und Missbräuche der Frauen durch ihre Väter und Ehemänner, die weitergeben, was sie selbst einst unter der Fuchtel ihrer Väter erdulden mussten. Ein „Womenirrhaus“ in Chicago bietet Frauen wie Ana Schutz und Raum zum Aufarbeiten der Traumata. Im Rückblick wird Ana bewusst, was Tätern und Opfer gemeinsam ist und wie bestimmte Herrschaftsformen zwischen den Geschlechtern sich auf subtile Weise in der Psyche beider sedimentiert haben. Nach der Inszenierung der Theaterfassung von „Glück“ durch Ursina Greuel erscheint jetzt das Ganze als Spoken Word.
Linda über den Wolken (76) Wie oft an den Wochenenden gehen Arlinda und Christina in Winterthur in den Ausgang. Diesmal haben sie mit zwei Jungs abgemacht: mit Ray und John. Alle sind nervös und trinken zuviel. Da passiert es. Arlinda und Ray machen es! – ohne Kondom. Es ist das erste Mal. Und ein paar Wochen später merkt Arlinda: Sie ist schwanger! Wie Soll das gehen? Wie wird ray reagieren? Was wird arlindas strenger Vater tun – und was ihr aggressiver Bruder? Ich werde warten! (77) Simone und Philip wohnen in Männedorf und sind seit zwei Jahren ein glückliches Paar. Doch als sie zusammen nach Ibiza in die Ferien fahren, wird ihre Liebe mehrfach auf die Probe gestellt: Warum flirtet Philip mit anderen Frauen? Warum wird er entführt und von wem? Was läuft zwischen Simone und Philipps bestem Freund Moritz?
In ihrer unverwechselbaren Sprache, die sich vor den traditionellen Regelungen des Sprechens und Denkens niemals duckt, präsentiert Dragica Rajčić eine sehr persönliche, poetische und humorvolle Auseinandersetzung mit Hermann Broch sowie mit der Philosophie und Literatur seiner und unserer Zeit. Monologe und Dialoge, die alle nur-analytischen Betrachtungsweisen aufheben und zugleich überwinden, die statt der Frage nach dem Sinn der Schrift die Frage nach dem Sinn des Schreibens in das Zentrum rücken. Der Text entwickelt sich zu einem Laboratorium, in dem sinnlich erfahrbar wird, was das Faszinierende an der Literatur, ihre Illusionen, ihre Grenzen, ihre Möglichkeiten ausmacht.
»Wäre Mutter anders, hätte ich nie geheiratet. Wie ein Hund, von der Leine gerissen, lief ich durchs Fenster weg, hängte ich mich an Igor.« In einer rohen, wilden und starken Sprache, ihre eigene Herkunft nicht verleugnend, erzählt die Lyrikerin und Dramatikerin Dragica Rajčić Holzner aus der Innensicht von einer unmöglichen Ehe, in der mit Gewalt auf Liebe geantwortet wird, und mit Liebe auf Gewalt. Als die Ich-Erzählerin Igor zum ersten Mal sieht, erscheint er ihr wie ihre Rettung. Und doch ist da gleich zu Beginn dieses ungute Gefühl, das immer wieder weggeschoben und ignoriert werden will. Igor trinkt zu viel, aber tun das nicht alle Männer? Er ist aufbrausend, aber auch das ist doch nichts Ungewöhnliches. Jahre später zieht das verheiratete Paar in den Norden der USA. Hier wird sich die anfangs noch diffuse Unruhe als prophetisch er weisen. Der Mann, an den sie sich in ihrer Jugend voller Hoffnung klammerte, wird zu jemand völlig anderem. Und wieder muss sie fliehen – diesmal fort von ihm. Über hundert Jahre tief, bis in die Zeit der Spanischen Grippe, senkt sie das Lot der eigenen und erzählten Erinnerungen, um die raue Zeit des Aufwachsens im ländlichen Jugoslawien der 60erJahre, die Flucht von der Familie, das Hineingeraten in die frühe Ehe und die späte Befreiung daraus zu verstehen. Ein Roman wie das darin geschilderte Leben: ein glitzernder Scherbenhaufen, eine fesselnde Naturgewalt.