Die Beiträge des Bandes befassen sich mit einem Thema, das in den letzten Jahren Konjunktur hat, wie eine ganze Reihe von Publikationen zeigen kann: es geht um die Traumaufzeichnungen des 20. Jahrhunderts, die in Briefen, Tagebüchern und sogenannten Traumbüchern überliefert sind, sowie um die Bedeutung der Traumerzählungen und -notate für die deutschsprachige Literatur nach 1900. Nach einer ersten historischen Umbruchsphase im 18. Jahrhundert, die mit den autobiographischen Schriften und mit der Psychologisierung des Traums in der Aufklärung angesetzt werden kann, markiert das Jahr 1900 eine epochale Zäsur, was die Kulturarbeit am Traum, die Formen der Vermittlung und die Aufschreibesysteme betrifft. Das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert einer modernen traumanalogen Literatur und Ästhetik, es entstehen eigene Traumtagebücher, in denen das autobiographische Schreiben um ein ”nächtliches Selbst” erweitert wird, schließlich etabliert sich mit den literarischen Traumsammlungen auch ein neues Genre. Interessant sind in diesem Zusammenhang nicht nur die produktiven Impulse, die von Freuds berühmter „Traumdeutung“ ausgehen, sondern auch die Differenz und Konkurrenz der Autoren zur Psychoanalyse und spezifischer das alternative und komplexe Wissen über den Traum, das die Literatur auszeichnet.
Isolde Schiffermüller Knihy






Die Fragestellung des vorliegenden Bandes konzentriert sich auf die zunehmende Problematisierung des Mediums Brief in der Moderne, anstatt dessen Entstehung zu betrachten. Es wird untersucht, ob man von einer Krise oder einem Verfall der Briefkultur im 19. und 20. Jahrhundert sprechen kann. Die Beiträge beleuchten nicht das Ende, sondern die Transformation der Briefkultur, insbesondere ihr bemerkenswertes Revival in der Klassischen Moderne. Ein Schwerpunkt liegt auf der Problematisierung des Briefs in den Autorenbriefen des frühen 19. Jahrhunderts, einer Zeit, in der die traditionsreiche Briefkultur der Empfindsamkeit bereits als historisch betrachtet wird. Eine weitere Gruppe von Beiträgen analysiert den Autorenbrief als Reflexionsmedium europäischer Geschichte und als Form der Zeitzeugenschaft, in der privater und öffentlicher Diskurs eng miteinander verknüpft sind. Besonders hervorgehoben wird die Produktivität der Briefkultur in der Klassischen Moderne, die sowohl die Potenziale als auch die Grenzen des Mediums aufzeigt. Abschließend wird der Brief als historisch gewordene Form betrachtet, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Medium einer Archäologie bürgerlicher Subjektivität und Autorschaft wird. Der neue Blick auf die Briefkultur der Moderne soll das Interesse von Literaturwissenschaftlern und Literaturliebhabern wecken.
Texträume
- 206 stránok
- 8 hodin čítania
Der vorliegende Band gliedert sich in drei Teile und nimmt Fragestellungen auf, die im Zentrum der Forschungsarbeiten von Walter Busch stehen, der allzu früh am Gründonnerstag 2013 verstorben ist. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit Medialität, Bild und Sprachgebärde. Der zweite geht den Zusammenhängen von Shoah und Gedächtnis nach, und der dritte Abschnitt versucht Antworten auf Fragestellungen des Werks von Franz Kafka.
Die immer komplexer werdenden Methoden, die am Werk Franz Kafkas erprobt wurden, haben den Zugang zu seinen Schriften nicht leichter gemacht. Aktueller denn je erscheint heute der Ratschlag Walter Benjamins, Kafkas Schriften nicht zu deuten, sondern als einen Kodex von Gesten zu lesen, als eine befremdliche Gebärdensprache, die immer neue Fragen aufwerfen kann. Das Buch stellt den ersten umfassenden Versuch dar, das Erkenntnispotential von Kafkas Gesten zu erörtern und auf seine aktuelle Lesbarkeit hin zu befragen. Thematisiert werden Kafkas ausgeprägter Sinn für mimische und gestische Details, sein zeichnerisches Talent, seine Liebe zur kollektiven Melodie des jiddischen Theaters oder die Affinität seiner Texte zum Stummfilm, die Gesten als Indizien im Kräftespiel einer Macht, deren Effekte nur an den Deformationen der menschlichen Haltung erkennbar sind. Die Studie bietet neue Einsichten in ein Werk von weltliterarischem Rang, dem es noch nicht gelungen ist, sich von den Kafkaesken Mythen und Legenden zu befreien, die das 20. Jahrhundert geprägt hat. Im medial geschärften und technisch ernüchterten Blick der Gegenwart gewinnen Kafkas Gesten ihre volle Signifikanz: als Träger einer Form des kulturellen Gedächtnisses, in dem vielleicht mit den Spuren der Entfremdung auch die Momente einer profanen Erlösung entzifferbar sind.