Orte des Überflusses
Zur Topographie des Luxuriösen in Literatur und Kultur der Moderne
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Zur Topographie des Luxuriösen in Literatur und Kultur der Moderne
Physiognomik als Wissensform und Kulturtechnik setzt meist stillschweigend eine Vormacht des Bildes über die Sprache voraus. Daher geht die Bedeutung des Textes als Analyseinstrument und eigengesetzliches Wahrnehmungsdispositiv für die physiognomische Gestaltdeutung oft vergessen. Die hier versammelten Aufsätze fragen nach der Rolle des Schreibens, der Schrift und ihrer medialen Vermittlung in verschiedenen theoretischen, historischen und künstlerischen Konstellationen aus der Geschichte der neueren Physiognomik. An exemplarischen Texten, an Fotografien und Filmen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart werden rhetorische, stilistische und poetische Techniken zutage gefördert, mit welchen Schreibende auf die Herausforderung deutungsbedürftiger Körperbilder reagieren.
Die Zeichen der Kunst sind uneindeutig. Das macht unsere ästhetischen Lektüren unentscheidbar und unabschließbar. Was aber, wenn uns eine eindeutige Deutungsalternative in ihren Bann schlägt? Wenn uns ein und dasselbe Bild entweder einen Hasen oder eine Ente, entweder eine Ente oder einen Hasen zeigt? Eine Kippfigur ist mehr als eine ästhetische Doppeldeutigkeit, sie ist ein Umschlagsphänomen. Entscheidend ist die Bewegung des Kippens selbst und die Bahnung der Wahrnehmung: Wer in einer Kippfigur endlich die zweite Figur sieht, kann diese nur mit einiger Anstrengung wieder vergessen und sich die erste vors Auge zurückrufen. Das Heft fragt nach der Ästhetik und Semiotik dieses wahrnehmungspsychologischen Phänomens in Malerei, Fotografie, Film und Literatur. Es verbindet Perspektiven aus Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie.
Hans-Georg von Arburg lehrt seit 2009 als Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Lausanne. Sergej Rickenbacher verfasst seit 2009 an eine Dissertation zur Ästhetik der Stimmung im Werk Robert Musils und ist zurzeit Mitarbeiter im SNFProjekt »Stimmung. Geschichte und Kritik ästhetischer Empfindung zwischen Literatur, Musik und Kunst in der Moderne« an der Universität Lausanne.
In einer Stimmung ist man ganz bei sich, man erfährt sich aber auch mit anderen oder mit seiner Umwelt vereinigt. Ästhetiken der Stimmung versprechen Integration: Sie vermitteln musikalische und instrumentenbautechnische Praktiken, mathematisch-kosmologische Spekulationen und psycho-physiologische Konzepte. Andererseits ist das deutsche Wort ‚Stimmung‘ unübersetzbar, und jeder Übersetzungsversuch reali-siert eine Differenz. In philologischen, philosophischen, kunst- und musikwissen-schaftlichen Zugriffen geht es in diesem Heft um das fragile Einheitsversprechen in Schumanns Vertonung eines Eichendorff-Gedichts, um die Überbrückung von Apo-rien im Stimmungsbegriff bei Kant, um Totalitätsmomente in den Himmelsblicken bei Godard, um die Beschwörung einer ‚archaischen‘ Ästhetik in literarischen Stummfilm-szenen sowie um die Poetik und Kritik des Gesamtkunstwerks bei Kleist.
'Oberfläche' in der deutschsprachigen Architektur- und Literaturästhetik 1770-1870
Oberfläche’ ist in der Ästhetik der Moderne mehrdeutig und ambivalent codiert. Die Untersuchung verfolgt die theoriegeschichtliche Karriere des umstrittenen Begriffs zwischen Archi-tektur und Literatur in der Goethezeit und im Historismus. Durch den Materialisierungsschub im industriellen Zeitalter werden Oberflä-chen zunächst in den technischen Künsten zum theoretischen Traktan-dum. Die Lösungen, die namentlich die Architekturtheorie für das Problem ‚Oberfläche’ findet, inspirieren dann auch die Theorie der schönen Künste. Die Studie untersucht diese komplexen Austauschprozesse zwischen Literatur und Architektur in exemplarischen Detailanalysen am Werk von K. F. Schinkel, Goethe, G. Semper und F. Th. Vischer.
Ästhetik der Oberfläche in Film, Kunst, Literatur und Theater
Oberflächen galten und gelten gemeinhin als suspekt: Sie scheinen nur der Zier, wenn nicht gar der Irreführung zu dienen, denn der Schein, so heißt es seit jeher, trügt. Das Wesentliche dagegen – Inhalt, Bedeutung, Wahrheit – wird in der Tiefe vermutet. Der vorliegende Band diskutiert nicht das vermeintlich Defizitäre der Oberfläche, sondern das, was sie in erster Linie ist: ein ästhetisches Phänomen, das von Inhalten nicht ablenkt oder sie schmückt, sondern sie überhaupt erst prägt und ihnen sinnliche Dimension verleiht. Die Beiträge aus Filmwissenschaft, Kunstgeschichte, Literatur- und Theaterwissenschaft sind vereint durch das Forschungsinteresse an den ästhetischen und medialen Umwertungen, welche die Effekte und Erscheinungen von Oberflächen rund um die bürgerliche Episteme der Tiefe erfahren haben. Feudale Kunstwerke, antibürgerliche Avantgardebewegungen, neue Medien sowie postmoderne Theorieansätze haben je spezifische Ästhetiken und Theoreme der Oberfläche geboten, welche die Erscheinungs- und Bedeutungsvielfalt des Begriffs deutlich machen, seine Metaphorik ausloten lassen und Annäherungen an seine Komplexität ermöglichen.
Virtuosität: Die aktuelle Forschungsdebatte zu einem Phänomen, das seit dem 18. Jahrhundert von ungebrochener Aktualität ist. Das Phänomen und der Begriff der »Virtuosität« erlebten vom 17. Jahrhundert bis heute eine wechselvolle Karriere. Aus einem Sammelbegriff für spezifische Interessen und besondere Begabungen in den Wissenschaften oder Künsten wurde um 1800 eine Bezeichnung für den ausübenden Künstler, insbesondere für den technisch brillanten Musiker selbst. Das 19. Jahrhundert erhob den Künstler-Artisten zwischen Geniekult und Dilettantismusdebatte einerseits und Ästhetizismus bzw. Décadence andererseits zum Gegenstand eines kollektiven Kultes, machte ihn aber auch zur Zielscheibe der Kritik. Später wird Virtuosität als System von Imitation und Überbietung zum Prüfstein einer Ästhetik im Zeichen der Moderne. Die Beiträgerinnen und Beiträger behandeln u. a. literarische Repräsentationen der Virtuosität bei Grillparzer, Nestroy und E. T. A. Hoffmann, den Virtuositätsdiskurs im 19. Jahrhundert unter dem Aspekt des Rezipienten, Virtuosenkritik in der Wiener Moderne sowie Walter Benjamins Virtuosenerzählung »Rastelli erzählt ...«.