Die H. Kori GmbH
Eine Berliner Ofenbaufirma und der nationalsozialistische Massenmord
Eine Berliner Ofenbaufirma und der nationalsozialistische Massenmord
Das Leben des Erfurter Schuharbeiters Paul Schäfre zeugt von Kampfbereitschaft, Solidarität und Sebstorganisation, aber auch von politischem Dogmatismus und Kritiglosigkeit gegenüber der Sowjetunion. Als kommunistischer Funktionär hatte er Auftiegschacen, die Menschen seiner sozialen Herkunft sonst verschlossen blieben. Seine Hinrichtung in der Sowjetunion 1938 markiert die Tragik seines Lebens: Er wurde Opfer in dem Land, in das er vor den Nazis geflohen war und das er als seine politische Heimat empfand. Die Legende, die ihn 1945 zu einem Märtirer des Kampfes gegen Franco im Spanischen Bürgerkriegs machte, war der Versuch eines alten Freundes, der in Erfurt zurückgebliebenen Witwe zu helfen. Für jene, die in der DDR vom Tod Paul Schäfers in Moskau wussten, war es eine Lüge, der zu widersprechen sie nicht wagten, die sie mittrugen oder selbst aktiv am Leben hielten.
To engineer the millions of murders they committed in the concentration and extermination camps, the SS needed civilian experts. Of all those involved, the J. A. Topf & Sons Company of Erfurt played a leading role. Its incineration ovens made the disposal of the corpses quick and inexpensive, and its ventilation technology optimized the killing operations in the Auschwitz-Birkenau gas chambers. Key documents on the Holocaust from Auschwitz, Moscow and the Topf & Sons company archive are the focus of this volume edited by Annegret Schüle on behalf of the City of Erfurt, State Capital of Thuringia, to accompany the international travelling exhibition of Topf & Sons – Builders of the Auschwitz Ovens Place of Remembrance. Developed in cooperation with the Buchenwald and Mittelbau-Dora Memorials Foundation, the exhibition opened in the former laundry barrack of the main camp at the Auschwitz-Birkenau Memorial and Museum in 2017.
J. A. Topf & Söhne steht exemplarisch für die Beteiligung privater Wirtschaftsunternehmen am nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen. Der industrielle Massenmord in Auschwitz wäre ohne die von der Erfurter Firma konstruierten Leichenverbrennungsöfen und deren Gaskammer-Lüftungstechnik nicht möglich gewesen. Wie wurde ein Thüringer Traditionsunternehmen, das in der Weimarer Republik erfolgreich Bestattungsöfen für städtische Krematorien entwickelte, zum direkten Auftragnehmer der SS? Wer waren diese Kaufleute und Ingenieure, die in der Massenvernichtung einen zukunftsträchtigen Markt und eine technologische Herausforderung sahren? Wie war es möglich, dass sich in der Betriebsgemeinschaft kein Widerspruch regte und selbst Arbeiter aus den kommunistischen Widerstand zu Mitwissern und sogar Mittätern wurden? Wie gingen die Beteiligten und die beiden Nachkriegsgesellschaften mit dieser Schuld um?
Welche Rolle spielten Juden, als der Fußball zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Thüringen und Erfurt Fuß fasste? Wie verhielten sich die Vorgängervereine von Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena gegenüber ihren jüdischen Mitgliedern, als die Nationalsozialisten ab 1933 Juden verfolgten, vertrieben und ermordeten? Warum entstanden in Thüringen erst ab 1933 jüdische Sportvereine und wie trieben sie Sport unter den Bedingungen der Entrechtung? Der Blick in die Geschichte hilft auch im Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus im Fußballstadion heute. Dieses Buch ist ein Muss für alle Fußballfans in Thüringen.
Die von Annegret Schüle, Solveig Negelen, Manuel Leppert und Peter Wurschi herausgegebene Publikation versammelt die Beiträge der Veranstaltungsreihen 'Das große Schweigen und seine Folgen' und 'Über das Sprechen. Welche Worte (ge-)braucht der Mensch?', die von der Stiftung Ettersberg, der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen und dem Erinnerungsort 'Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz' 2013 und 2014 durchgeführt wurden. Die Publikation kann bei den drei Institutionen gegen eine Schutzgebühr von 3 Euro bezogen werden.
Der Erfurter Willy Wiemokli (1908–1983), Sohn einer evangelischen Mutter und eines zum Protestantismus konvertierten jüdischen Vaters, wird im Nationalsozialismus zum „jüdischen Mischling“ erklärt. Der Rassenhass nimmt ihm beide Eltern. Seine Mutter leidet so unter der Verfolgung ihrer Familie, dass sie 1942 einem Schlaganfall erliegt. Sein Vater wird 1943 in Auschwitz-Birkenau ermordet. Zum Rettungsanker wird für Willy Wiemokli das Erfurter Familienunternehmen J. A. Topf & Söhne, das ihn nach seiner Buchenwald-Haft im Januar 1939 als Buchhalter einstellt und vor der Gestapo in Schutz nimmt. Nur Monate später beginnt diese Firma Leichenverbrennungsöfen nach Buchenwald und in andere Konzentrationslager zu liefern. Das Unternehmen geht so weit, die Krematorien im Vernichtungszentrum Auschwitz-Birkenau mit Öfen und Gaskammer-Lüftungstechnik auszurüsten. Willy Wiemokli weiß von den Geschäften mit der SS und engagiert sich trotzdem – auch nach Kriegsende und nun in leitender Funktion – für den Betrieb. In der DDR der 1950er Jahre wird er erneut ein Opfer des Antisemitismus, nun stalinistischer Prägung.
Der industrielle Massenmord in Auschwitz wäre ohne die von der Erfurter Firma J. A. Topf & Söhne konstruierten Leichenverbrennungsöfen und deren Gaskammer-Lüftungstechnik nicht möglich gewesen. Annegret Schüle rekonstruiert die Geschichte dieser Firma und belegt die Mitwisser- und Mittäterschaft der Inhaber, Ingenieure und Monteure. Dargestellt wird, wie ein Thüringer Traditionsunternehmen, das in der Weimarer Republik Bestattungsöfen für städtische Krematorien entwickelte, zum direkten Auftragnehmer der SS wurde. Die Autorin fragt, wer diese Menschen waren, die in der Massenvernichtung eine technologische Herausforderung, eine Chance zur Gehaltssteigerung und einen zukunftsträchtigen Markt sahen. Wie war es möglich, dass sich in der Betriebsgemeinschaft kein Widerspruch regte und sogar Arbeiter aus dem kommunistischen Widerstand zu Mittätern wurden? Wie gingen die Beteiligten und die beiden Nachkriegsgesellschaften mit dieser Schuld um?Topf & Söhne ist ein Beispiel dafür, welche Schlüsselrolle private Wirtschaftsunternehmen bei der Massenvernichtung im Nationalsozialismus hatten. Zu diesem Teil der Industriegeschichte des 20. Jahrhunderts leistet diese Monographie einen wichtigen Beitrag