Time for Hamburg -- A Pocket Watch of the Observatory and its Historical Context. Mit Beiträgen und herausgegeben von Gudrun Wolfschmidt. Nuncius Hamburgensis - Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Band 56.
Die Arbeit untersucht eine 1888 von der Hamburger Sternwarte erworbene silberne Taschenuhr im historischen Kontext. Sie beleuchtet die Bedeutung präziser Zeitmessung vor und nach 1900, die Rolle der Sternwarte und Seewarte in Hamburg sowie den Einfluss neuer Zeitstrukturen auf das Leben und Denken der Menschen, unterstützt durch literarische Quellen.
Der Uhrmacher Friedrich Corleis ging 1873 nach Altona, damit in ein Zentrum der deutschen Uhrenfertigung. Dort leitete er bald ein bedeutendes Uhrengeschäft. Corleis besaß eine ungewöhnliche Doppelbegabung. Immer wichtiger wurde ihm seine literarische Tätigkeit. Er schrieb Gedichte, veröffentlichte viele Theaterstücke und fand regionale Anerkennung. Kurz vor seinem frühen Tod schuf er 1895 mit der Tragödie der Idee sein bedeutendstes Werk. Mit der Tragödie beteiligte sich Corleis an der Diskussion um die Lage der Arbeiter und den Weg in eine bessere Zukunft. Der Held der Tragödie wendet sich gegen die Unternehmer, aber auch gegen die Funktionäre der Arbeiterpartei. Er fordert mehr freie Zeit für jeden und verbindet damit die Vision vom allseitig gebildeten Menschen. Friedrich Corleis findet hier einen spannenden Lösungsansatz in einer der zentralen Fragen des späten 19. Jahrhunderts.
Ziel ist es, zwei Bereiche zusammenzuführen: die Entwicklung tragbarer Uhren und die technischen Voraussetzungen, die dafür gelöst werden mussten. Seit dem späten 18. Jahrhundert veränderte sich durch die Verbreitung von Taschenuhren der bürgerliche Umgang mit ‚Zeit‘, was sich literarisch vielfältig widerspiegelt. Im Mittelpunkt stehen drei Autoren: Adolph Freiherr Knigge, Gustav Freytag und Friedrich Hölderlin. Knigge betonte, dass die Bürger sich zu lange von der politischen und sozialen Dominanz der Mächtigen zurückgezogen hatten. Er sah ein neues bürgerliches Zeitethos als Beitrag zur Emanzipation der Bürger, wobei der sorgfältige Umgang mit der Zeit Ausdruck tüchtigen Bürgersinns war. Freytag verband dieses Zeitethos mit klaren, nachvollziehbaren Verhältnissen und der Abgrenzung von nichtbürgerlichen Schichten. Seine Ansichten wurden von vielen als Norm angesehen, die zu befolgen war. Im Gegensatz dazu lehnte Hölderlin die Bindung des Lebens an eine von anderen gesetzte Zeitdisziplin ab. Dies widersprach den Erwartungen der bürgerlichen Ehrbarkeit in Württemberg, aus der er stammte. Hölderlin verkörpert einen nicht-bürgerlichen Weg in die Moderne, was sich in seinen sozialen Schwierigkeiten und seinem Rückzug in fremde Namen zeigt, sowie in seinem Austritt aus der allgemeinen bürgerlichen Zeitzählung.
Im 18. und frühen 19. Jahrhundert wurde die mechanische Uhr perfektioniert. Damals entwickelte das Bürgertum einen Wertekanon, zu dem auch ein neues Verständnis von Zeit gehörte: Der sparsame Umgang mit der Zeit wurde zum Ideal. Die Uhr als Teil des bürgerlichen Lebensverständnisses fand begeisterte Verteidiger, aber auch engagierte Kritiker. In Deutschland wurde diese Debatte in den Jahren um 1800 lebhaft geführt. Die gemeinsam von Clemens Brentano und Joseph Görres verfasste Satire Geschichte von BOGS dem Uhrmacher (1807) stellt den Höhepunkt der romantischen Auseinandersetzung mit Uhren und der bürgerlichen Zeitökonomie dar. Im Kern geht es den Autoren darum, dem Bürgerlichen das Unangepasste, Menschliche und Künstlerische entgegenzustellen. Die Analyse dieser Satire ist der Mittelpunkt des Buches. Im Schlussteil wird ein Blick auf die Entwicklung im späteren 19. und 20. Jahrhundert geworfen. Die Uhrenproduktion weitete sich aus, die literarische Auseinandersetzung mit der Uhr dauerte fort.