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Heinrich Ragaller

    1. január 1925
    Städtische Galerie Würzburg
    Traumbaum
    Apollodor oder Die Reise
    Satiren
    Kleiner Musen-Altar und Dichterbildnisse
    • Wie wirst wohl du enden, so fragt’ ich oft mich, doch umsonst. Nur gut, daß dem so gewollt ist, denn als Irre jagten wir Menschen, wär’ es anders geordnet. So den Taglauf wickelst du ab ohn’ Sorge, tust, was heut getan werden muß, besinnst dich deiner Pflichten, ohne zu murren – das nun nenn ich ein Leben! Leugnen will ich’s nicht, daß zuweilen Lust mir kommt beim Blättern in den Gazetten: Dort sind ja die Todesfälle verzeichnet, manchmal auch noch die Ursach’. Gestern stand zu lesen, sie sei verstorben »an dem Zucker, wie es dem Herrn gefallen«, einundsechzig sei sie geworden, »dankbarst zeichnen die Kinder …«

      Satiren
    • Aus der Vorrede des Schauspieldirektors: »Es ist schon so: Im allgemeinen nehmen sich die Menschen recht wichtig. Und Herr Leopold zählte zu jenen, die sich besonders wichtig nehmen. Das hatte auch seinen guten Grund, wie er meinte: Von Herkunft ein Preuße, aus gutsituierter Gelehrtenfamilie stammend, die sich von jeher der humanistischen Bildung verschrieben hatte. So war auch Leopold gewissermaßen als nachgeborener Philhellene in seiner Heimatstadt am Neckar aufgewachsen. Die Neigung trieb ihn zum Studium der Tempel und Bildwerke Altgriechenlands. Er wuchs rasch in die universitäre Laufbahn eines angehenden Professors hinein und wurde schließlich binnen weniger Jahre Ordinarius für klassische Archäologie an einer der ehrwürdigsten Universitäten des Landes. Er hatte geheiratet, fast, möchte man sagen, wie sich’s für einen Archäologen geziemt: eine Griechin, namens Costanza, Mitglied der aus Mykonos stammenden erfolgreichen Reederfamilie Kalandreou. Ein einziger Sohn entsprang dieser Verbindung. Leopold, der Anspielungen und Vergleiche liebte, nannte ihn ›Apollodor‹, da dieser Name seine Vorstellung beflügelte, der strahlendste aller Götter könne das Seine hinzugewirkt haben, als er Costanza begattete. Auch, daß ein Rivale des Malers Zeuxis, ein gewisser Apollodoros aus Athen, mit dem Beinamen ›Ho Skiagráphos‹, einst den Schatten in der Malerei erfunden habe wie es heißt, kam seiner Vorstellung entgegen: »Kein Licht ohne Schatten«, pflegte er zu sagen. Und so nahm er auch seines Sohnes körperliche Behinderung, die sich bereits in dessen Knabenjahren zeigte, gelassen als gottgegeben hin. Nicht so Costanza ...«

      Apollodor oder Die Reise
    • Zu meinen Füßen – sah ich recht? – ein Baum wuchs da, gar fein verästelt und verzweigt. Ich sah ihn gern, doch sah ich ihn im Traum, weiß darum nicht, ob je er wächst und steigt. Er stand so still und unbewegt, kein Hauch weht’ über ihn hinweg, kein Vogellaut durchdrang sein Laub, und seine Blätter auch – wie Zeichen einer Schrift, mir nicht vertraut. Erwacht lag ich noch lang und dachte nach, was wohl der Baum zu Füßen mir da sprach? Ein Traumbaum war’s, ein wundersam Gesicht, netzartig stieg er auf und ward ganz licht.

      Traumbaum