In 463 Einträgen erschließt der Katalog die Leichenpredigten und sonstigen Trauerschriften in der Bibliothek der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Arnstadt, die zu den ältesten überlieferten protestantischen Kirchenbibliotheken in Thüringen zählt. Im Bestand der Arnstädter Funeraldrucke befindet sich auch ein Konvolut von siebzehn handschriftlichen Lebensläufen, die zwischen 1645 und 1680 anlässlich von Begräbnissen in Neuroda und Traßdorf, zwei Gemeinden im Vorland des Thüringer Waldes, verlesen wurden und Einblick in dörfliche Lebenswelten geben. Mehrmals wird in diesen Biographien die unzulängliche Schulbildung kritisiert. So liest man von Barthel Salfelder (1597–1676), dass er zwar regelmäßig die Schule besucht und das Lesen gelernt, es später aber vergessen habe: „Die Buchstaben kenne ich zwar noch, aber zusammen bringen kann ich sie nicht“. Aber nicht nur die handschriftlichen, sondern auch die Quellen aus der Kirchenbibliothek bieten aufschlussreiche Einblicke: So erreichte Rosina Clauß (1590–1672) mit fast 82 Jahren ein hohes Alter. Besondere Freude bereitete es ihr, dass sie ihre Ururenkel erleben durfte, was „bey itzigen Zeiten ... selten zu vernehmen ist“.
Eva Maria Dickhaut Knihy






Mit der Erschliessung der Hennebergischen Gymnasialbibliothek in Schleusingen wendet sich die Forschungsstelle fur Personalschriften einem Bestand zu, der insbesondere fur die Erforschung thuringischer und frankischer Regionalgeschichte der Fruhen Neuzeit von hohem Interesse ist. In der im Naturhistorischen Museum Schloss Bertholdsburg aufbewahrten Buchersammlung konnten in 561 Eintragen Leichenpredigten und sonstige Trauerschriften ermittelt werden, die nicht nur zahlreiche Facetten damaliger Lebenswelten zutage treten lassen, sondern auch eher unerwartete Informationen bereithalten - etwa zu klimageschichtlichen Aspekten. Beispielsweise berichtet eine "Einfeltige Wetterpredigt" ausfuhrlich uber eine verheerende Flutwelle in Rohr bei Meiningen, der im April 1607 mehrere Menschen zum Opfer fielen, darunter eine vierkopfige Familie, die unter den Trummern ihres eingesturzten Wohnhauses ertrank. Neben dem Bericht einer Uberlebenden und der "Beschreibung des grossen Wasserschadens" enthalt die Predigt unter anderem auch eine - gereimte - Aufzahlung der entstandenen materiellen Schaden.
Interessante Details lassen sich in etlichen Leichenpredigten finden – so in den Personalia des Mediziners Johannes Volckius (1621–1656). Obwohl er zunächst den Vater und kurz nach deren Wiederverheiratung auch die Mutter verlor, konnte er dank seines Stiefvaters Medizin studieren. Später avancierte er zum fürstlichen Landmedicus. Daneben tat er sich als Verfasser von Liedern hervor und übersetzte die lateinischen Oden des Dichters Ludwig Helmbold ins Deutsche. Schwierigkeiten in seiner Ausbildung musste auch Johann David Nike (1666–1726) hinnehmen. Er begann zu studieren, wurde aber so schwer krank, dass weder er noch seine Eltern an einen Abschluss glaubten. 1681 wurde er zu seinem Vetter geschickt, der Maler war. Dieser erkannte Nikes „gute Geschicklichkeit zur Mahlerey“ und überredete ihn, sich von ihm ausbilden zu lassen. Nikes Gesellenwanderung führte ihn nach Gera. Als angesehener Bürger und Ratsmitglied erhielt er später den Auftrag, die Johanniskirche auszumalen. Er stürzte während dieser Arbeit so unglücklich vom Gerüst, dass er sofort tot war.
Leichenpredigten als Vermittler politischer Normen im Alten Reich und in England stehen hier ebenso im Mittelpunkt wie die Frage, welche Bedeutung Funeralschriften bei der Bildung und Gestaltung dynastischer Erinnerungskulturen im Adel zukommt. Daruber hinaus spannt sich der Bogen der Themen von den Besonderheiten weiblicher Lebenswelten uber die Trauerarbeit von Eltern und die Wahrnehmung tragischer Todesfalle bis zur Darstellung von Grenz- und Raumuberschreitungen auf Reisen. Eingeschlossen in diese Betrachtungen sind auch Leichenpredigten, die in den historischen Siedlungsgebieten der Deutschen in Ostmitteleuropa gehalten und gedruckt wurden. Schliesslich prasentiert der Band erste Ergebnisse eines DFG-Projektes, in dem die Forschungsstelle fur Personalschriften neue Wege der digitalen und inhaltlichen Erschliessung der Leichenpredigten und deren Bereitstellung im Internet beschreitet, um damit zugleich die langfristige Sicherung dieser Quellen zu gewahrleisten. Der vorliegende Band versammelt die Vortrage, die 2012 anlasslich des funften Marburger Personalschriften-Symposions gehalten wurden.
Mit den acht seit Beginn des Thüringen-Projektes erschienenen Katalogen hat die Forschungsstelle für Personalschriften die Bestände dreier thüringischer Territorien erfasst, nämlich des Fürstentums Altenburg sowie der Grafschaften bzw. Fürstentümer Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen. Mit dem vorliegenden Katalog begibt sie sich auf das Territorium der Reußen, nach Gera, der einstigen Landeshauptstadt des Fürstentums Reuß jüngere Linie. An drei Standorten in Gera konnten Leichenpredigten und sonstige Trauerschriften ermittelt werden: im Evangelischen Kreiskirchenamt, im Stadtarchiv und im Stadtmuseum. Insgesamt 332 Verstorbene kommen in den 830 Katalogeinträgen vor. Rund zwei Drittel von ihnen gehörten zum Bürgertum. Unter den Hochadligen liegt der Schwerpunkt auf Leichenpredigten aus dem Hause Reuß, aber auch die Ernestiner sind stark vertreten. Auch die Geraer Sammlungen enthalten zahlreiche interessante Lebensläufe, wie z. B. die Leichenpredigt auf Andreas Gleich (1625–1693) zeigt, der als Lehrer, Musikdirektor und Figuralkantor am Gymnasium in Gera arbeitete. Das Geld seiner Familie reichte nicht aus, um ihn auf die Universität zu schicken. Er hatte aber das Glück, dass in seiner Geburtsstadt Erfurt ein Stadt-Syndikus arbeitete, der ihn an seinen Bruder weiterempfahl. Dieser Bruder war Heinrich Schütz, zu jener Zeit Kapellmeister in Dresden. Schütz hat den jungen Mann sehr geschätzt und gefördert. Als er 1642 nach Kopenhagen reiste, begleitete ihn Gleich. Dieser erlangte dort „großen Ruhm“ und bekam gar angeboten, bei der königlichen Kapelle zu bleiben. Weil ihn aber „das See-Wasser und die ungewohnte Landes-Art nicht leiden wollen“, begab er sich 1644 wieder nach Hause. Er starb mit 68 Jahren an einem Lungenleiden, bei dem die erprobten Medikamente nicht wirkten. Das habe, so die Überzeugung des Verfassers, zweifellos daran gelegen, dass „bey dem seeligen Mann die Lunge durch das vielfältige Singen allzusehr angegriffen und geschwächet gewesen“ sei.
Die Leichenpredigten der Buchsammlung „Schwarzburgica“ beziehen sich auf Angehörige des Regentenhauses Schwarzburg-Sondershausen, aber auch auf Personen, zu denen die Schwarzburger in Beziehung standen bzw. die in den schwarzburgischen Territorien lebten. Rund dreiviertel der Verstorbenen sind dem Bürgertum zuzurechnen, die meisten arbeiteten in den Bereichen Verwaltung, Bildung und Kirche – das ist charakteristisch für den Personenkreis, dessen Memoria durch Leichenpredigten propagiert wurde. Obwohl der größte Teil der Texte aus dem 18. Jahrhundert stammt, finden sich auch Berichte über das Leben während des Dreißigjährigen Krieges. Sie spiegeln die zwei Seiten dieser Zeit wider: die der Menschen, die durch den Krieg ihr tägliches Brot verdienten und diejenigen, die im Krieg litten. Aber nicht nur persönliche Schicksale werden in den Leichenpredigten deutlich. In den Personalia auf Johannes Casparus Güttich wird über die extreme Witterung im Geburtsjahr des Geehrten berichtet: „Im Jahr Christi 1595, do es einen sehr harten Winter gegeben, daß die grossen Wasser, der Rein, Necer, Mosel, Mein, Thonau etc. sind gantz zugefroren, daß man darüber gehen und fahren können …“
Wohlgelebt! Wohlgestorben? - Leichenpredigten in der Historischen Bibliothek der Stadt Rudolstadt
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Leichenpredigten lassen tiefe Einblicke in gesellschaftliche Zustände und Alltagsleben zu: Als ein bleibendes Stück Erinnerung an die Verstorbenen liefern sie Informationen über deren Leben, Wirken und Beziehungen. Sie enthalten Hinweise auf geistesgeschichtliche Strömungen, auf Kunst und Kultur der jeweiligen Epoche. Sowohl aus kulturhistorischer Sicht als auch hinsichtlich autobiographischer Fragen sind Leichenpredigten bedeutend. Der vorliegende Sammelband dokumentiert nun ausführlich die Vorträge des Kolloquiums Wohlgelebt! Wohlgestorben? – er bietet Einsicht in den Informationsreichtum der Funeralschriften der Historischen Bibliothek der Stadt Rudolstadt und bildet damit eine Grundlage für weitergehende Forschungen.
Katalog der Leichenpredigten und sonstiger Trauerschriften kleinerer Bestände in Rudolstadt
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2008 erschien als Band 45 der Marburger Personalschriften-Forschungen der Katalog der Leichenpredigten und sonstiger Trauerschriften im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt. Zwei Jahre später wurden in Band 51 die entsprechenden Quellen der dortigen Historischen Bibliothek nachgewiesen. Der vorliegende Katalog enthält 403 Einträge und schließt die Erhebung des Funeralschrifttums in Rudolstadt ab. Allein 310 Einträge beziehen sich auf Leichenpredigten aus der Kirchenbibliothek der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Rudolstadt. Die weiteren Einträge verzeichnen die Trauerschriften-Bestände der Schlossbibliothek im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg und des Rudolstädter Stadtarchivs. Zahlreiche Leichenpredigten finden sich in Sammlungen. So erschließt der Katalog eine Sammlung von 43 Leichenpredigten, die vor allem während einer Pestepidemie in Sangerhausen im Jahr 1565 gehalten wurden. Zusätzlich zu den Predigten findet sich in dieser Sammlung eine Überblickstabelle über die Anzahl der Verstorbenen an den einzelnen Tagen und Wochen der Epidemie, die in kühlen Zahlen das Leid darstellt, das sich in den Predigten manifestiert. Ganze Familien wurden kurz hintereinander beerdigt; auf dem Höhepunkt der Epidemie starben 129 Personen in einer einzigen Woche. Eine der Toten hat innerhalb von zwei Stunden „eilff Paroxismos“ erlitten, so stark, „daß das Estrich erschottert, und die Fenster in einer Steinern Mawer erklingen“ mussten. Besonders interessant ist die Erwähnung von Wiedergängerfurcht in der Leichenpredigt: Demnach wurde die Verstorbene „durch unnütze Meuler“ verdächtig, dass sie eine der Frauen sei, „die im Grabe schmetzete, und umb sich fresse“. Die Erfahrung an anderen Orten hätte gezeigt, dass das Sterben solange anhalten würde, „so lange solch Schmetzen weret“.