This volume designates a shift within posthumanistic media studies, that
dissolves the concept of media into a network of operations, that reproduce,
process and reflect the distinctions that are fundamental for a given culture,
e.g. the anthropological difference, the distinctions between natural object
and cultural sign, noise and information, eye and gaze.
This book examines how one aspect of the social and technological situation of
literature-namely, the postal system as a mode of transmission-determined how
literature was produced and what was produced within literature.
Exploring the profound impact of communication systems on literature and philosophy, this book delves into how these systems shape thought and expression. It offers critical insights for readers keen on understanding the intricate connections between technology and cultural narratives, making it a significant resource for scholars and enthusiasts alike.
Passagiere und Papiere beleuchtet eine vergessene Urszene der Moderne, die in den bürokratischen Ritualen der Narrativierung und Verschriftlichung verankert ist. Diese Praktiken initiierten Menschen, die nach Amerika reisen wollten, in den Status legaler Personen und schufen das moderne Untertanensubjekt. Der Krieg der spanischen Krone im 16. Jahrhundert gegen eigene Bürger, darunter konvertierte Juden, Mauren sowie Arme und Vagabunden, führte an der Schwelle zur Neuen Welt zu einer Vielzahl kleiner Literaturformen: Ausreiseanträge, Verhörsprotokolle, Zeugenaussagen und Passagierlisten. Ab 1535 durfte niemand in Sevilla ein Schiff besteigen, ohne zuvor schriftliche Nachweise seiner Identität und Herkunft bei einem Richter vorzulegen. Das Indienhaus, die 'Casa de la Contratación', wurde zu einem der ersten Orte in Europa, wo das Beschreiben und Erzählen nicht mehr nur den Mächtigen vorbehalten war, sondern auch zur Überwachung und Kontrolle diente. Bernhard Siegert rekonstruiert anhand kaum erforschter Quellen aus dem Archivo General de Indias in Sevilla die Rituale der Legitimation und Narrativierung, die im 16. Jahrhundert alle Passagiere durchlaufen mussten. Auf der anderen Seite des Ozeans verbanden sich Passagierlisten mit Einwohnerverzeichnissen, was das Seßhaftmachen der Passagiere mit einem System von Registern verknüpfte, das das 'Am-Platz-Sein' von Menschen an das 'Am-Platz-Sein' von Lettern band.
Die Helden aus den Romanen von Thomas Pynchon wollen den Schleier der Maya, die Historie, durchdringen. Doch anders als die Wahrheit der Philosophen gehört es zur Wahrheit, der diese Helden auf der Spur sind, daß es nicht Die Eine Wahrheit gibt, sondern nur eine unabsehbare Zahl von Spuren der Wahrheit. Weil sie nicht an der Macht, sondern an ihrer eigenen Spaltung interessiert sind, führt jede Spur, die ein Stück des Dunkels erhellt, das die Wahrheit umgibt, Pynchons Helden nur in ein neues Dunkel. Die Beiträge, die dieser Band vereinigt, versuchen diesen Spuren in den Romanen von Thomas Pynchon nachzugehen, um damit die Produktivität von Pynchons romanesker Medienarchäologie als Schnittstelle zwischen einer historischen Medienwissenschaft und dem Archiv der Wissenschafts- und Technikgeschichte zu demonstrieren. Diese Produktivität wird freigesetzt, wenn sich die Lektüre des Texts von der universitären Disziplinierung durch die Fiktionalitätsregel befreit und Pynchons Texte tatsächlich als faction, als Schnittstelle zwischen fact und fiction begreift. Mit Beiträgen von Bernhard Siegert, Philipp von Hilgers, Michael Schiessl, Markus Krajewski, Philipp Albers und Friedrich Kittler.
Die Medienarchäologie des Meeres untersucht die zentrale Rolle von Schiffen als Infrastruktur, die das Meer als menschlichen Lebensraum und rechtlichen Raum definiert. Bernhard Siegert analysiert verschiedene Aspekte des Meeres, von historischen Entwicklungen bis hin zu ästhetischen und medialen Fragestellungen. Er beleuchtet Themen wie Verstaatlichung, Deterritorialisierung und die symbolische Ordnung, während er die komplexen Beziehungen zwischen Materialität, Bildern und den vielfältigen Figuren des Meeres erforscht. Dabei wird der mediale Abgrund sichtbar, der diese Konzepte prägt.
Eine Grundregel unserer Schriftkultur seit dem späten 18. Jahrhundert besagt, dass ein Autor mehr ist als ein bloßer Schreiber. Diese Regel hat zahlreiche Werke und Schulen hervorgebracht und dabei die Grundlage dieser Kulturarbeit vergessen lassen: das unaufhörliche Auf- und Abschreiben, Verzeichnen und Archivieren. In den Aufsätzen dieses Bandes wird eine europäische Kultur der Sekretäre historisch und thematisch umfassend betrachtet. Sie umfasst den apostolischen Auftrag als Sekretariat des göttlichen Wortes und die Arbeit der Kanzlisten im abendländischen Gerichtswesen. Auch die Archivare und Bibliothekare der neuzeitlichen Gedächtnisbürokratie sowie moderne Sekretärinnen und digitale Techniken werden thematisiert. Die unermüdliche Arbeit mittelalterlicher Kopisten und die Rolle des General- und Parteisekretärs prägen ebenfalls diese Kultur. Der Sekretär fungiert allgemein als Schaltstelle von Daten und Botschaften, die die Fremdheit der Rede in autorisierte Formen von Befehl, Rechtsprechung, Wahrheitsrede und Kunst übersetzt. Das Imaginäre einer europäischen Kultur wird durch das Reale einer sekretären Politik ermöglicht und überliefert – als Politik der Namen und Taten, der ›res gestae‹ im weitesten Sinn.