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Frank Schwamborn

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    W.G. Sebald
    Thomas Bernhard
    • Thomas Bernhard

      Eine manieristische Weltverblüffung

      In seinem Roman „Der Untergeher“ nannte Thomas Bernhard den kanadischen Pianisten Glenn Gould eine „klavieristische Weltverblüffung“. Ich habe diese hübsche Formel im Untertitel dieses Buches ein wenig abgewandelt, weil ich glaube, dass der Manierismus einen wichtigen Schlüssel zu diesem bedeutenden Autor darstellt. Denn es ist ja nicht nur so, dass er in seinen letzten beiden Prosawerken mit Parmigianino und Tintoretto zwei der wichtigsten Vertreter dieser Kunstrichtung an exponierter Stelle in seine Texte einflocht (nachdem er bereits in „Verstörung“ ein Gemälde „aus dem späten sechzehnten Jahrhundert“ mit einer besonders stark verdrehten figura serpentinata „zitiert“ hatte). Es ist auch so, dass als spezifisch manieristisch angesehene oder anzusehende Züge seine Dramen und Prosatexte auf eine Weise prägen, die gar nicht überschätzt werden kann. Und zwar sowohl motivisch, was die Auswahl der Sujets betrifft, als auch kompositorisch, was den Stil anlangt.

      Thomas Bernhard
    • W. G. Sebald, der Schriftsteller und Germanist, lehrte bis zu seinem Unfalltod im Dezember 2001 Europäische Literatur an der University of East Anglia in Norwich (Grafschaft Norfolk). Vor allem in der englischsprachigen Welt gilt er vielen als der bedeutendste deutschsprachige Autor an der Wende zum 21. Jahrhundert. Autoren-Kollegen wie J. M. Coetzee, Gabriel García Márquez und Javier Marías haben sich an seiner Prosa begeistert. „Is literary greatness still possible?“, fragte Susan Sontag. „One of the few answers available to English language readers is the work of W. G. Sebald.“ Die vorliegende Studie stellt einen betont subjektiven Versuch dar, dem Dschungel der Bezüge nachzugehen, die seine buntgefügten Textgespinste tragen. Sie ist keiner Theorie verpflichtet und läuft auf keine These hinaus. Sie versteht sich ebenso als Beitrag zur Sebaldforschung wie als Handreichung an den Sebaldleser. Sie sucht die fünf literarischen Werke, die zu seinen Lebzeiten erschienen sind, auf eher lockere, „essayistische“ Art zu kommentieren, bemüht um Textnähe und Blick auf die Details. Es ist erstaunlich, wie viel Neues sich trotz all der Forschungsflut zu diesem Autor immer noch entdecken lässt.

      W.G. Sebald
    • Was Michail Bachtin als „karnevalistisches Weltempfinden“ beschrieben und literaturtheroetisch fruchtbar gemacht hat, ist bei Heinrich Heine mit Händen zu greifen. Das Karnevalsthema begegnet dem Leser nicht nur in einer Fülle von Werken und Spielarten, die strukturale Gestalt des Karnevalesken kehrt in Heines Schriften auch kompositorisch wieder - in unzähligen syntaktischen Figuren des Wechsels, der Ablösung und der Verkehrung, der lachenden Übertretung der Norm, der Emphase für Materialität oder des freien familiären Kontakts zwischen den Sphären der Rede. Im Sinne der von Bachtin für die „dialogische“ Tradition der Literatur entwickelten Kategorien kann man bei Heine zum Beispiel das Pathos des Wechsels und der Veränderungen, des Todes und der Erneuerung beobachten. Unter karnevalistischen Vorzeichen entwickelt sich bei ihm ein Selbstverständnis von Literatur als institutionalisierte Anarchie, Ventil und Gegenwelt. Schwamborns entspannt und leicht lesbar dargebotener Blick auf das facettenreiche Werk Heines „sub specie carnevalitis“ zeigt, wie zentrale karnevalistische Symbolhandlungen bei ihm ihre literarischen Äquivalente finden. Die „gewaltige schöpferische Kraft des Karnevalslachens“ (Bachtin) wird an seinen Texten exemplarisch deutlich.

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