Hans Christian Dany Knihy






»Ich mag Mode. Was sollte ich anderes tun, als die Widersprüche der Gegenwart zu lieben?« Bomberjacken, Jogginghosen, Tarnfleck. Supreme, Yeezys, Off White, Vetements – was das Rampenlicht einer Mode durchlaufen hat, verschwindet im Dunkel, wird entwertet und vergessen. Doch die Bewegungen der Mode bringen Menschen zusammen, formen Gemeinschaften, trennen sie wieder. Sie zerstören jede Ordnung und bauen sie wieder auf, sie sind schön und hässlich, kommen kapitalistisch daher, gleichzeitig spukt in ihnen der Aufstand. Und weil Mode uns so hautnah kommt, während unsere Körper in ihre Hüllen schlüpfen, erscheint die polyamouröse Affäre mit ihr wie ein andauernder Ausnahmezustand. »MA-1« ist ein heiterer Spaziergang an den Rändern der Geschichte der gleichnamigen Bomberjacke zwischen Krieg, Subkultur und Mode: Über eine Uniformjacke, die nie endgültig von gestern ist, und über die Rolle dieser Mode ohne Ende in einer neuen Form des Krieges, einer Militarisierung des Zivilen und einer »Zivilisierung« des Militärischen. Und was passiert, wenn ein Roboter an die Stelle des Bomberpiloten getreten ist?
Wie kann Protest aussehen in einer Zeit, die alles offenlegt und alle zu Komplizen des Fatalismus macht? Steffen Zilligs Videocollage „Pessimismus organisieren“ beschwört einen zombifizierten Michael Jackson und dessen letzte Weltrettungshalluzinationen im Mausoleum von Neverland. Verschwand mit dem König des Pop auch das vereinende Versprechen von Perfektion, Glamour und Verwandlung? Bleibt nur rasender Stillstand? Und wo artikuliert sich die Zukunft, wenn nicht im anonymisierten Tribalismus? In schlafwandelnden Mobs? Die sich überall da zusammenrotten, wo die kollektive Sediertheit brüchig wird – während aus dem Off Anonymous droht: »We do not forgive. We do not forget. Expect us.« Hans-Christian Dany sucht in seinem Essay nach Wegen raus aus einer Gegenwart, aus der es keine Auswege zu geben scheint.
Ein heiter ätzender Spaziergang durch das Innere, die Entwicklungsgeschichte und die Albträume einer von Selbstoptimierung besessenen Gesellschaft, die ihre Kontrolle nicht mehr durch Macht, sondern durch Rückkopplung und Selbstregulation ausübt. Dany zeigt, wie aus der Kybernetik als Modell für selbstregulierende Systeme eine Matrix der ständigen Optimierung eines jeden und der Gesellschaft geworden ist: Von der kybernetisch inspirierten Sozialpsychologie der fünfziger Jahre wanderte die Feedback-Theorie Wieners und Lewins in die Selbsterfahrungsgruppen, die sie in die WG-Küchen weiter trugen. Parallel flossen die Methoden als Social Engineering in das Management ein und später in die sozialen Netzwerke, wo das Kommunikations-Panoptikum nochmals in neuer Form zu sich fand. Jeder ist nun Beobachter aller anderen und ein von allen anderen Beobachteter. Kontrolle bedeutet nicht länger, die Kontrollierten auf einen Sollwert zu bringen, sondern einen andauernden Prozess permanenter Selbstoptimierung in Gang zu setzen. Heute formen Feedback und Transparenz zentrale Werkzeuge für Kindergarten, Schule, Konsum und Unternehmen. Die einzige Möglichkeit, dem zu entkommen, scheint, sich der verordneten Kommunikation zu verweigern. Sich durch Sprachlosigkeit der Regulation zu entziehen, um auf der spiegelglatten Oberfläche der Transparenz ein Dickicht undurchsichtiger Inseln wuchern zu lassen…
Schneller als die Sonne
Aus dem rasenden Stillstand in eine unbekannte Zukunft
Allem Gerede von Datenautobahnen, Hochgeschwindigkeitszügen und Kopfschmerztabletten mit beschleunigter Wirkung zum Trotz: In Wahrheit steht alles still. Nur das nervöse Zucken immer engerer Produktionszyklen erweckt den Anschein von Bewegung – wie bei einer Fahrt auf einem Karussel, das auf der Stelle rotiert. Eine Ordnung versucht seit vierzig Jahren, ihr eigenes Ende hinauszuzögern. Für diesen Aufschub entschleunigt sie sich ständig durch immer mehr Sicherheit und Kontrolle, durch den Verzicht auf Fortschritt und den aggressiven Ausbau einer leerlaufenden Kommunikation. Mit kybernetischer List hat sie jede Vorstellung von der Zukunft abgeschafft. Nach seinem viel beachteten Essay „Morgen werde ich Idiot“, in dem er als Ausweg aus der kybernetischen Kontrollgesellschaft die Verweigerung vorschlug, richtet sich Hans-Christian Danys Hoffnung in diesem Buch auf die Wiederbelebung eines Imaginären, das sich auf das Unbekannte einlässt. Kann in der besseren Welt vielleicht nur ankommen, wer die Annahme aufgibt zu wissen, wie diese bessere Welt aussehen wird? Die Zukunft kann nur unbekannt sein, und was gibt es Verführerischeres als das Geheimnis? Vielleicht liegt ein Schlüssel auch zur gesellschaftlichen Veränderung in Zufall und Hingabe. Ganz sicher findet er sich in der Euphorie des Lebens.
Auf dem Weg zu einem Umweg
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