Preußische Union, lutherisches Bekenntnis und kirchliche Prägungen
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Einblicke in Ansätze und Argumentationen vom 16. bis 20. Jahrhundert
Seit 200 Jahren bestehen in Deutschland lutherisch-reformierte Unionen. Auf die im Jahr 1817 in Preußen und anderen Ländern gesetzten ersten Impulse und deren nachhaltige Wirkungen bis zur Gegenwart wurde daher im September 2017 mit einer Festfeier und der Präsentation neuer wissenschaftlicher Forschung aufmerksam gemacht. Anlass zur dieser Feier gab die erste lutherisch-reformierte Gesamtsynode der Grafschaft Mark 1817 in Hagen. Ein „Tag der Rheinischen und Westfälischen Kirchengeschichte“ war Aspekten der Unionsgeschichte im 19. Jahrhundert gewidmet, eine anschließende Tagung der Kommission für Kirchliche Zeitgeschichte der Evangelischen Kirche von Westfalen in Schwerte-Villigst der Entwicklung der Union(en) im 20. Jahrhundert. Der vorliegende Band bietet einen breit gefächerten Einblick in den Werdegang, das Wirken und die Bedeutung der Unionen im regionalen, nationalen und ökumenischen Horizont auf neuestem Forschungsstand.
Interkulturelle theologische Zugänge
Im Rahmen eines Tübinger Symposions ist die Bedeutung „der" Stadt unter theologischen Gesichtspunkten aus biblisch-exegetischer, (kirchen)geschichtlicher, systematisch-theologischer und nicht zuletzt auch unter praktisch-theologischer Perspektive erörtert worden. Dabei wurde die partnerschaftliche Beziehung zwischen der Tübinger Evangelisch-Theologischen Fakultät und der Presbyterian University and Theological Seminary, Seoul, sowie der Seoul Theological University dazu genutzt, in gemeinsamer koreanisch-deutscher Arbeit zum Thema Aspekte zur Geltung zu bringen, die den europäischen Horizont übersteigen. Sie lassen deutlich werden, vor welchen besonderen Herausforderungen die christlichen Gemeinden und Kirchen in Korea stehen, wie ihr Wirken weithin unter den Rahmenbedingungen von Megacities stattfinden muss, und wie die Aufgabe der Gemeindebildung und der Gemeindebindung der Gemeindeglieder realisiert werden kann und muss.
Von Preußen sind für die Entwicklung des deutschen Protestantismus über mehrere Jahrhunderte prägende Akzentsetzungen ausgegangen. Besonders die „preußische Union“, der hier unternommene Versuch, die Trennung von Kirchengemeinden lutherischer und reformierter Konfession zu überwinden, hat erst als Idee und dann – nach dem Unionsaufruf des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. 1817 – auch konkret das Leben und Wesen der bis 1945 größten deutschen evangelischen Landeskirche und ihrer Kirchengemeinden bestimmt. In der Geschichte der „Evangelischen Kirche der Union“ hat die preußische Union seitdem ungeachtet veränderter kirchlicher Strukturen der Sache nach eine unmittelbare Fortführung bis 2003 erlebt; die Wirkung erstreckt sich darüber hinaus bis zur Gegenwart. Die hier zusammengestellten insgesamt elf Beiträge aus der Feder von zehn Autoren erschließen ein großes ereignisgeschichtliches, aber auch theologiegeschichtliches Spektrum von Themen aus der Zeit des 17. bis in das beginnende 21. Jahrhundert. Sie präzisieren, korrigieren und erweitern das bisher von der preußischen Union gezeichnete Bild und stellen eine Frucht der langjährigen Forschung im Rahmen des „Arbeitskreises der EKU-Stiftung für kirchengeschichtliche Forschung“ in Berlin dar.
Das Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren rückt auch das umstrittene Bild des letzten preußischen Königs und deutschen Kaisers in den Blick. Der vorliegende Band ergänzt und präzisiert die Fokussierung auf den Staatsmann und Politiker mit 8 Beiträgen zu Wilhelm II. als Kirchenmann im Umfeld der evangelischen Kirchen Preußens, zumal der preußischen Unionskirche, deren weltliches Oberhaupt („summus episcopus“) er war. Aber mit seiner Orientreise von 1898 und dem damit verfolgten Konzept wies der Kaiser auch weit über Preußen hinaus. Die Autoren knüpfen an die umfangreiche Biographie John C. G. Röhls an, die einen niemals zur Reife kommenden Herrscher zeichnet. Zugleich werden biographische Lücken über Wilhelm II. geschlossen (etwa zu seiner Bedeutung in den Regionen) sowie Fehlurteile korrigiert über seinen Einfluss in der Kirchenbaudiskussion der Epoche oder die Rolle, die Adolf von Harnack als sein Ratgeber spielte. Insgesamt ist der Band eine Brücke zwischen Kirchen- und Säkulargeschichtsschreibung im Blick auf eine Person, die zugleich abstößt und anzieht, kaum aber gleichgültig lässt.