Zwei Interpretationen der gegenwärtigen Welt stehen heute im Vordergrund: die Vorstellung vom Ende der Geschichte – also der Homogenisierung der modernen Gesellschaften unter den Vorzeichen von liberaler Demokratie und Marktwirtschaft –und die Prognose vom Kampf der Kulturen. Nach Eisenstadt haben beide Deutungen unrecht. Seine Generaldiagnose lautet vielmehr, daß wir heute die oftmals konfliktreiche Entwicklung mehrerer Arten der Moderne beobachten. Fast überall weisen die verschiedenen institutionellen Sphären – Wirtschaft, Politik, Familie – voneinander relativ unabhängige Merkmale auf, die in verschiedenen Gesellschaften und Entwicklungsperioden jeweils unterschiedlich kombiniert werden. Wir können nicht mehr annehmen, daß sich sämtliche Züge der westeuropäischen Moderne ganz natürlich in allen übrigen Zivilisationen durchsetzen werden. Eisenstadts Interesse richtet sich deshalb auf die Vielfalt, den ständigen Wandel und die Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Dimensionen der Moderne. Zu welch paradoxen Verbindungen es dabei kommen kann, lehrt ein Blick auf die modernen fundamentalistischen Bewegungen.
Shemuʾel Noah Aizensht adt Knihy


Die Antinomien der Moderne
Die jakobinischen Grundzüge der Moderne und des Fundamentalismus. Heterodoxien, Utopismus und Jakobinismus in der Konstitution fundamentalistischer Bewegungen
Wie kein anderer Soziologe hat S. N. Eisenstadt den in den Kulturen der Achsenzeit vollzogenen Bruch gegenüber den archaischen, alt-orientalischen Reichen in eine strukturelle Theorie kultureller und sozialer Entwicklung überführt. Die in der Achsenzeit entwickelten Spannungen zwischen weltlicher und transzendenter Ordnung bedingen den hohen Grad der Autonomie der kulturellen, symbolischen und politischen Systeme, durch den moderne Gesellschaften gekennzeichnet sind. Mit der vorliegenden Studie bleibt Eisenstadt sowohl der komparativen Perspektiven als auch dem Thema des Zusammenhangs von Transzendenz und sozialem Wandel treu. Er widmet sich dem Paradox einer im Zeichen der Moderne stehenden Revitalisierung längst verdrängt geglaubter kultureller Traditionen, vor allem in der nicht-europäischen Welt. Intensivster Ausdruck dieser Entwicklung sind die fundamentalistischen Bewegungen. Georg Stauth charakterisiert den vorliegenden Text als das bisher produktivste, weil theoretisch überzeugendste Instrumentarium der vergleichenden Analyse fundamentalistischer Bewegungen.