Anatolin

Viac o knihe

Diese Krankheit, die kein Verzeichnis körperlicher und seelischer Gebrechen kennt und von keinem Arzt diagnostiziert wird, führt zu einem Zustand, den man als „Morbus biographicus“ bezeichnet: das Fehlen von Erinnerungen an die eigene Kindheit. Dies mündet in den Verlust des biographischen Gefühls. Die einzige Therapie besteht darin, den fehlenden autobiographischen Faden neu zu spinnen. Der Held dieses heiter-melancholischen Werkes erlebt eine Kindheit in der ostwestfälischen Provinz, in der der verlorene Bruder eine zentrale Rolle spielt. Die Suche nach seiner Vergangenheit wird zur Suche nach den Eltern und führt ihn in ein abgelegenes Dorf in der Ukraine und dann in eine noch kleinere Siedlung im ehemaligen Wartheland in Polen. Was er dort an Spuren seiner Vorfahren findet, ist wenig, doch genug, um eine Geschichte zu erzählen. Wer glaubt, in dieser Lebensgeschichte die Biographie des international erfolgreichen Autors wiederzuerkennen, ist auf der richtigen Spur, wird jedoch in die Irre geführt. Treichel gibt dem Thema seiner früheren Werke eine überraschende Wendung. So entsteht ein raffiniertes, unterhaltsames und witzig-kluges Vexierspiel, das die Voraussetzungen autobiographischen Erzählens hinterfragt und einen Tanz mit dem fremden Selbst auf der Suche nach der eigenen Biographie darstellt.